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Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr

Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr

Titel: Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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weshalb es auch nichts nützt, den Bolzen rauszuziehen. Wirkt sehr schnell, je nachdem, wo der Treffer platziert wird. Der Hals ist am besten.«
    »Spielt das Körpergewicht eine Rolle?«
    »Nein. Die Dosis reicht für alles bis hin zum Nashorn.«
    »Also schön, dann müssen fünf eben reichen.«
    »Übrigens, die Ausrüstung ist ganz schön teuer. Ich krieg einen Riesenärger, wenn irgendwas davon verloren geht.«
    »Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass Sie die Bolzen nicht zurückkriegen.«
    »Ich rede nicht von den Bolzen. Oder der Munition.«
    »Wo soll ich das Zeug abholen?«
    »Wo Sie wollen«, sagte er. Er wusste, dass es mir lieber war, wenn ich den Ort bestimmen konnte.
    Ich überlegte. Ich wusste, dass ich im Augenblick clean war und keine Zeit brauchte, um irgendwelche Verfolger abzuschütteln. Und ich wollte Kanezaki keine Zeit geben, irgendetwas zu arrangieren. Was er vermutlich auch nicht machen würde – zumal er davon ausging, dass er mich jetzt für einen »Gefallen« am Haken hatte –, aber Vorsicht schadet nie.
    »JR-Bahnhof Harajuku, auf dem Bahnsteig«, sagte ich. »In dreißig Minuten.«
    »Okay.«
    Zwanzig Minuten später stieg ich in Harajuku aus einem Zug der Yamanote-Linie. Auf dem Bahnsteig löste nichts mein Radar aus. Die Menschenmenge war überschaubar, setzte sich zu etwa gleichen Teilen aus Teenagern zusammen, die zur nahe gelegenen Takeshita-dori wollten, der Einkaufsmeile für Grunge-/Retro-/Hip-Hop-Mode, und schick gekleideten Erwachsenen auf dem Weg zu den Bistros und Boutiquen der angrenzenden Omotesando-dori. Dass zwei so grundverschiedene Straßen Seite an Seite in Parallelwelten existierten, amüsierte mich immer wieder aufs Neue. Dergleichen machte den besonderen Charakter von Tokio aus.
    Kanezaki stieg pünktlich aus dem Zug in Richtung Shinjuku. Er hatte eine mittelgroße blaue Reisetasche über die Schulter gehängt und trug einen dunklen Anzug. Abgesehen davon, dass in seiner Haltung und seinem Gang etwas unverkennbar Westliches lag, hätte er ein durchschnittlicher japanischer Angestellter sein können.
    Er sah mich und kam herüber. Ich inspizierte die anderen Leute, die ausgestiegen waren, bemerkte aber nichts Auffälliges.
    Er stellte die Reisetasche ab, und wir schüttelten uns die Hand. Der Wanzendetektor, den mein verstorbener Freund Harry eigens für mich gebastelt hatte, schlummerte in meiner Tasche. Kanezaki war sauber.
    »Wie ist es Ihnen ergangen?«, fragte er.
    »Ganz gut«, sagte ich, während ich ihn musterte. »Und Ihnen?«
    »Prima.«
    »Was macht der ›Krieg gegen den Terrorismus‹?«
    Er lächelte. »Inzwischen nennen wir ihn ›Kampf gegen gewalttätigen Extremismus‹.«
    Es gefiel mir, dass er sich nicht provoziert fühlte. Vor gar nicht so langer Zeit hätte er meinen spöttischen Unterton persönlich genommen. Ich fragte mich, ob seine Leute wussten, wie schlau er allmählich wurde. Vermutlich nicht.
    »Gut so«, sagte ich. »Ich bin sicher, die Umbenennung wird’s bringen.«
    Er lachte leise. »Verraten Sie mir, was Sie mit dem ganzen Zeug vorhaben? Und mit wem Sie zusammenarbeiten? Zwei hier von, zwei da von, das brauchen Sie doch sonst nicht.«
    Ich blickte ihn an. Ja, er war schlau. Aber vielleicht auch ein bisschen zu sehr von sich eingenommen.
    »Sie haben mir schon einen ›Gefallen‹ dafür in Rechnung gestellt«, sagte ich mit kalter Stimme, »und jetzt verlangen Sie auch noch eine Erklärung gratis obendrauf?«
    Er blickte verblüfft. »Ich meinte nur …«
    »Hören Sie, geht’s hier um gegenseitige Kooperation und Unterstützung, oder ist das ein Geschäft?«
    »Ich hatte gehofft, es könnte beides sein.«
    »Kann es nicht. Suchen Sie sich eins aus. Und halten Sie sich dran.«
    Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Lassen Sie mich drüber nachdenken.«
    Ich zuckte die Achseln. Wir schwiegen wieder.
    »Haben Sie Kontakt zu Tatsu?«, fragte ich.
    »Ja, aber in letzter Zeit nicht mehr. Er hat viel zu tun, ich hab viel zu tun …«
    »Er ist im Krankenhaus.«
    Er blickte mich an, und ich sah, dass seine Besorgnis echt war. »Nein. Doch nichts Ernstes?«
    »Magenkrebs. Falls Sie ihn besuchen wollen, er ist im Jikei. Aber Sie sollten sich beeilen.«
    »Ach du Scheiße.«
    »Besuchen Sie ihn. In seinen Augen sind Sie so was wie ein Protégé, jemand, der seine Arbeit fortsetzen kann. Aber er ist zu stolz, das zuzugeben.«
    Er nickte. »Danke, dass Sie es mir gesagt haben.«
    Ich hängte mir die Reisetasche über die Schulter.

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