Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
Mit Sicherheit sind sie verzweifelt. Aber selbst wenn nicht, Yamaoto kennt bestimmt ihre sämtlichen Bekannten. Er wird rausfinden, wo sie sich verkrochen haben. Und nach dem, was du mir erzählt hast, sind sie nicht unbedingt unauffällig.«
Er stockte, und ich sah, dass ihn das Sprechen ermüdete. Er nahm eine Sauerstoffkanüle von seiner Brust und schob sie sich unter die Nase. »Ich hasse dieses verfluchte Ding«, knurrte er.
Ich half ihm mit dem Sauerstoff. »Yamaoto könnte also alles vereiteln, was wir bisher erreicht haben«, sagte ich, »wenn er die Sumos in die Finger bekommt.«
Er blickte mich an, sagte aber nichts. Ich wusste, weshalb. Er wollte, dass ich nicht das Gefühl hatte, manipuliert zu werden; dass ich glaubte, selbst darauf gekommen zu sein. Was natürlich die raffinierteste Form der Manipulation überhaupt ist.
»Wenn die beiden Yakuzas allerdings in der Zwischenzeit angegriffen werden sollten …«, sagte ich.
Tatsu nickte. »Dann würde Yamaoto dumm und schwach wirken. Er hätte keine andere Wahl als zurückzuschlagen. Von dem Punkt an würden sich die Positionen auf beiden Seiten verhärten.«
»Aber was ist, wenn er den Verdacht hegt, dass er reingelegt wurde?«
»Den Verdacht hegt er wahrscheinlich schon längst. Aber was kann er machen? Wenn die Lage sich verschlimmert, wird es bestimmt auf beiden Seiten ein paar kühle Köpfe brauchen. Das ist immer so. Aber hat das Blutvergießen erst einmal angefangen, setzen kühle Köpfe sich nur selten durch. Erst recht, wenn das Blutvergießen mit der Art von Nationalismus einhergeht, wie er in letzter Zeit in China und Japan immer schlimmer geworden ist. Überleg doch mal. Chinesische Emporkömmlinge, die ungestraft Yakuzas töten, noch dazu auf dem Terrain der Yakuza? Das wäre für Yamaotos Fußvolk unerträglich. Das bedeutet Krieg. Danach wird es keinen Auslöser mehr brauchen. Der Krieg wird sich verselbständigen. Und Yamaoto wird ihn nicht aufhalten können.«
»Also schön. Aber wie bringt mich das an ihn ran?«
»Wenn du anfängst, Yamaotos Stellvertreter auszuschalten, zwingst du ihn, seine Operationen gründlicher und regelmäßiger zu kontrollieren. Das lockt ihn aus seinem Bau.«
»Wird er dann nicht einfach neue Stellvertreter ernennen?«
Tatsu bedachte mich mit seinem typischen Blick schwer geprüfter Geduld angesichts unfassbar langsamer Denker. »Rain-san, wir reden hier nicht über ein Unternehmen wie General Electric. Männer wie Yamaoto haben keine klaren Nachfolgepläne. Sie fürchten, damit könnte sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass jemand tatsächlich ihre Nachfolge antritt.«
»Aber irgendwann …«
»Ja, irgendwann würde Yamaoto die Positionen neu besetzen, aber mitten im Krieg mit den Chinesen würde er die Dinge selbst erledigen. Und wenn Yamaoto im Laute dieses Krieges sterben würde, könnte wohl kaum einer genau sagen, wer ihn tatsächlich getötet hat. Vielleicht die Chinesen. Vielleicht unzufriedene oder habgierige Elemente aus Yamaotos eigener Organisation. Überall würde Misstrauen herrschen, aber dich würde keiner verdächtigen. United Bamboo hätte keinen Grund, den Tod von zwei Chinesen in New York mit Yamaotos Tod in Japan in Verbindung zu bringen. Und auch sonst hätte niemand Grund dazu. Das hier könnte dein letzter Auftrag sein. Danach wärst du frei.«
Ich überlegte einen Moment. »Wenn es wirklich so aussieht, als würde ein Krieg ausbrechen, wäre Yamaoto dann nicht vorsichtiger? Wenn wir ihn dazu treiben, von der Bildfläche zu verschwinden, wird die Lage für uns schwerer, nicht einfacher.«
»Wenn Yamaoto angesichts chinesischer Provokationen untertaucht, riskiert er einen Umsturz von innen. Außerdem, irgendwer muss seine Operationen managen, wenn sie gestört werden. Es sind zu viele Spieler beteiligt, die gern die Spitze übernehmen würden.«
Tatsu hustete. Er deutete auf den Beistelltisch neben sich und sagte: »Reichst du mir bitte das Wasser?«
Ich gab es ihm, und er trank kurz durch einen Strohhalm, dann gab er es mir mit einem dankbaren Nicken zurück.
»Entscheidend ist Folgendes«, sagte er. »Im Augenblick ist Yamaoto relativ in Sicherheit, weil sich um ihn herum nichts bewegt. Wenn du Gelegenheiten schaffen willst, musst du für Bewegung sorgen. Wenn er gezwungen wird, andere Positionen auf dem Spielbrett abzusichern, wird seine eigene automatisch schwächer.«
Ich nickte und sah in seinem eingefallenen Körper mal wieder den blühenden Geist der
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