Tokio Killer05 - Riskante Rückkehr
einer von ihnen hätte auf Chinesisch ›ich liebe dich‹ gebrüllt. Aber … ganz sicher bin ich mir da nicht, kumicho. «
Yamaoto fragte sich, ob der Mann allmählich durchdrehte. Aber vielleicht waren sie tatsächlich betäubt worden. »Habt ihr irgendwem vorher von dem Treffen in Wajima erzählt?«, fragte er.
»Nein, kuchimo!«, rief Kito. »Keiner Menschenseele!«
Yamaoto blickte von einem zum anderen, als hätte er Mühe, ihre Geschichte zu glauben. Was auch der Fall war. »Warum seid ihr nicht gleich gekommen?«
Die Männer sahen einander kurz an, richteten den Blick dann wieder auf Yamaoto. Sanada sagte: »Kuchimo, wir … wir haben Angst. Wir wissen, wie die Sache aussieht. Aber wir wurden reingelegt. Das schwören wir.«
Kito fügte hinzu: »Vor lauter Angst haben wir beide den Kopf verloren. Aber dann haben wir beschlossen, wir müssen die Sache unserem oyabun überlassen. Er wird tun, was am besten ist.«
Dass Kito Yamaoto als ihren oyabun, ihren Vater, bezeichnete, beschwor die traditionelle Beziehung zwischen dem Yakuza-Boss und seinen Untergebenen. Dadurch kam Kito und Sanada automatisch die Rolle von Yamaotos kobun zu, seinen Kindern. Und natürlich konnte kein weiser und mitfühlender Vater seinen eigenen Kindern Böses antun.
Yamaoto begann, im Raum auf und ab zu tigern, als müsste er angestrengt nachdenken. Er ging an Kuros Schreibtisch vorbei, bewunderte wie immer das schöne daisho, das Schwertpaar aus der Kamakura-Ära, das der Mann neben dem Tisch auf einem Gestell aufbewahrte. Das daitou, oder lange Katana, lag mit der spiegelblank polierten Klinge nach oben über dem kürzeren wakizashi. Die mit schwarzem Lack überzogenen saya, die Scheiden, jede mit einem Paar goldener Tokugawa-Familienwappen verziert, befanden sich jeweils auf einem Gestell neben den Klingen. Die Stücke hatten Museumsqualität, und Kuro behauptete, ein Händler habe ihm einmal zwanzig Millionen Yen dafür geboten, ein Angebot, das Kuro nicht mal in Betracht ziehen wollte. Er erlaubte niemandem außer Yamaoto, es anzufassen, sowohl aus Hochachtung vor dem Rang seines Bosses, als auch in Anerkennung von dessen meisterlichen Kampfsportfähigkeiten, nicht nur in unbewaffneten Disziplinen wie Judo, sondern auch im battojutsu, einer Schwertkampftechnik.
Yamaoto blieb vor dem Schwertgestell stehen und drehte sich zu den beiden Männern um. »Ihr ›habt den Kopf verloren‹?«, sagte er mit lauter werdender Stimme. »Ich bezahle euch dafür, dass ihr denkt! Ihr sagt, ich bin euer oyabun, und schon beim ersten Anzeichen von Schwierigkeiten beleidigt ihr mich mit eurem Zweifel!«
Die Männer ließen beschämt den Kopf hängen, und Yamaoto fuhr sie weiter an. »Habt ihr überhaupt eine Ahnung, was für Probleme ihr mit eurem Versagen ausgelöst habt? Ihr sagt, ihr wurdet reingelegt, und vielleicht stimmt das sogar. Aber wessen Verantwortung ist es, solche Dinge zu vermeiden?«
Die Männer hielten die Köpfe gesenkt und sagten unisono: »Unsere Verantwortung, kuchimo. «
Trotz seiner äußeren Wut war Yamaoto innerlich ruhig. Er hatte bereits entschieden, wie das Problem zu lösen war, und er hatte keinen Grund mehr, wütend zu sein. Aber wenn er diesen Männern seine innere Ruhe zeigte, würden sie begreifen, was passieren würde. Sie sollten ruhig glauben, dass er wütend war, weil sie dann hoffen durften, dass er noch keine Entscheidung getroffen hatte. So würden sie sich weiter darauf konzentrieren, wie sie seine Wut beschwichtigen und ihre Strafe abschwächen konnten, obwohl sie ihn in diese Lage gebracht hatten.
Er musste es nur schaffen, sie noch ein klein wenig mehr zu beschämen. Er hoffte, dass sie sich dann auch tiefer verbeugen würden, vielleicht sogar die chinsha machen würden, die reumütigste Verbeugung überhaupt, wobei der Missetäter auf die Knie sinkt, die flachen Hände weit vorgestreckt und die Stirn auf dem Boden.
»Ja, eure Verantwortung!«, explodierte Yamaoto. »Eure! Aber an mir bleibt es nun hängen, die Sache zu bereinigen! Alles nur, weil ihr versagt habt! Und dann habt ihr zu allem Übel auch noch euren oyabun mit diesem Mangel an Vertrauen beschämt!«
Wie aus einem Munde riefen die Männer: »Moushiwake gozaimasen! « und fielen in die chinsha.
Yamaoto packte das Heft von Kuros daitou und riss es von dem Gestell. Im Nu war er bei den am Boden liegenden Männern, während sich seine Finger ganz natürlich und wie von selbst in einem Zweihandgriff um das Heft schlossen. Ohne
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