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Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Tokio Total - Mein Leben als Langnase

Titel: Tokio Total - Mein Leben als Langnase Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Finn Mayer-Kuckuk
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Ex-Richter Kumamoto in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit, um das Unrechtsurteil zu kritisieren.
    Die angebliche Mordwaffe im Fall Hakamada war einem Gutachten zufolge zu klein, um die tödlichen Wunden verursacht zu haben. Der angebliche Fluchtweg des Boxers war der Verteidigung zufolge versperrt. Später aufgefundene Kleidung mit Spuren vom Tatort war dem Angeklagten zu klein.
    Richter Kumamoto war damals dennoch dem Urteil des vorsitzenden Richters gefolgt, der sich allein auf das Geständnis stützte. Und das obwohl die Anwälte Hakamadas vor Gericht angeführt hatten, dass die Polizei den Angeklagten 21 Tage lang täglich länger als zwölf Stunden intensiv verhört habe, bis er schließlich fiebrig und erschöpft ein vorgefertigtes Dokument unterschrieb. Eine Menschenrechtsorganisation und ehemalige Boxkollegen versuchen seit 28 Jahren, Hakamada wieder freizubekommen, doch Anträge auf ein neues Verfahren hat der Apparat stets abgelehnt. Das Argument: Ein unterschriebenes Geständnis räumt alle Zweifel aus.
    Japans Polizei kann Verdächtige 23 Tage in den engen
Zellen der Polizeistationen behalten und sie nach der Entlassung sofort wieder festnehmen. Der Jurist und Menschenrechtsaktivist Katsuhiko Nishijima sagt, nach pausenlosen Verhören in sogenannten Hilfsgefängnissen würden selbst charakterstarke Unschuldige ein falsches Geständnis unterzeichnen.

    Viel Aufsehen erregte der Fall von Toshikazu Sugaya, der von 1993 bis 2009 wegen Mordes an einem kleinen Mädchen saß. Er war seinerzeit mit einer frühen Version von DNA-Tests überführt worden - zu Unrecht. Eine neue Untersuchung der genetischen Spuren hat belegt, dass Sugaya nicht am Tatort gewesen war. Das Gericht musste sein Urteil wieder aufheben, der Busfahrer ist heute frei.
    Solche Nachrichten gehen auch an der Justiz nicht spurlos vorbei. Im Februar 2008 weigerten sich die Richter in einem Korruptionsprozess, Geständnisse von sechs Angeklagten zu akzeptieren. Die Polizei hatte einen von ihnen für insgesamt 395 Tage in Untersuchungshaft gehalten und ihnen gedroht, dass die Arbeitsplätze ihrer Kinder in Gefahr seien, wenn sie kein Geständnis ablegten. Die Richter bewiesen zur Abwechslung mal richtig gesunden Menschenverstand: »Wir hegen daher Zweifel an der Verwertbarkeit dieser Geständnisse.« Doch häufig arbeiten Gerichte und Polizei immer noch gut zusammen, um den angeblich Schuldigen zuverlässig hinter Gitter zu bringen.
    Wer es nicht mit der Polizei zu tun bekommt, lebt im Land des Lächelns so sicher wie nirgendwo sonst und genießt alle erdenklichen persönlichen Freiheiten. Ich habe für mich den Schluss daraus gezogen, alles so korrekt wie möglich anzustellen,
um gar nicht erst in die Mühlen des Systems zu geraten. Auch wenn mich mein Nachbar also vermutlich nicht erschlagen wird - ich werfe keine Dosen zum brennbaren Müll und setze im örtlichen Schwimmbad wie vorgeschrieben eine Badekappe auf.

    Um vorweg eines klarzustellen: Auf japanischem Boden habe ich nie Cannabis besessen oder geraucht. Das ist wichtig. Sonst könnte die japanische Drogenpolizei am Tag der Veröffentlichung dieses Buches durch meine Tür stürmen und mich für zehn Jahre ins Gefängnis stecken. Denn zur guten Ordnung in Japan gehört auch ein strenger Umgang mit Drogen.
    Die Polizei hat beispielsweise völlig überreagiert, als der Pop-Star Tsuyoshi Kusanagi sich nachts um drei Uhr in einem Park nackt auszog. Den Beamten rief er fröhlich entgegen: »Was ist schon dabei, nackt zu sein?« Sie nahmen ihn wegen öffentlichen Sittlichkeitsvergehens fest, obwohl niemand sonst im Park war. Die Polizei schnitt ihm eine Haarlocke für einen Drogentest ab. Während der Popstar mehrere Tage in einer Zelle saß, durchsuchten sie sein Appartment. Als klar war, dass Kusanagi sich nur an Reisbranntwein berauscht hatte, ließ die Polizei ihn wieder frei. Der Ruf seiner Band, der gealterten Boygroup Smap, war jedoch daraufhin angeschlagen. Firmen strichen Werbeaufträge, und ein fertiger Film mit Kusanagi als Schauspieler kam vorerst nicht ins Kino. So nervös ist Japans Obrigkeit, selbst wenn es um die harmlosesten Drogen geht.
    Im Fernsehen lief einmal eine Magazinsendung mit einem Beitrag über die erschreckende Verbreitung des Kiffens unter
japanischen Studenten. Keio-Universität: ein Student hatte Hasch geraucht. Hosei-Universität: zwei solcher Fälle. Und jetzt sogar die Waseda-Universität: ebenfalls zwei Fälle. Die Fernsehbilder waren unterlegt mit

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