Tokio Vampire
Stunde, dann würde Are hier vor der Tür stehen. Ich duschte schnell und widmete mich dann meiner Verschönerung. Na ja, oder Umgestaltung, wie immer man das nennen wollte.
Als ich fertig war, begutachtete ich mich im Spiegel. War ganz gelungen. Dramatische Augenumrandungen und eine Frisur, wie gerade aus dem Bett gekrochen. Nicht perfekt, aber ich hatte ja auch nicht so viel Übung wie meine Schwester. Dazu passend war ich ohnehin heute etwas blässlich, weil übermüdet. Und das Ereignis von letzter Nacht setzte mir doch immer noch zu. Man wurde ja nicht alle Tage überfallen und zusammengeschlagen. Die Blutkruste an meiner Lippe und der leichte Blauschimmer auf meinem Jochbein rundeten das Bild ab. Also, ich war zufrieden mit dem Ergebnis und verließ daher das Badezimmer.
Als meine Mutter mich so sah, sprang sie vor Schreck fast in den Schrank.
„Liam, gütiger Himmel! Wie siehst du denn aus?“
Ich runzelte die Stirn. „Wieso? So sind wir auch zum Konzert gegangen. Da sahen alle so aus!“, verteidigte ich mich.
„Ja?“ Meine Mutter musterte mich zweifelnd.
„Ja“, bekräftigte ich, obwohl ich alles andere als überzeugt war. Wenn meine Mutter schon so darauf reagierte, was würde Are dann sagen? Aber, halt! Der sah ja immer so aus! Was würde meine Mutter bloß sagen, wenn die beiden aufeinandertrafen? Ich wagte nicht, es mir auszumalen. Sie kannte Leos neuen Freund vermutlich noch gar nicht!
Ich musste sie schonend darauf vorbereiten.
„Ich ... kriege gleich Besuch“, begann ich unverfänglich.
Im Gehirn meiner Mutter arbeitete es. Ich wäre nicht erstaunt gewesen, wenn ich das Ticken, Drehen und Quietschen der Zahnräder gehört hätte. Nicht einmal, wenn plötzlich Dampf aus ihren Ohren gekommen wäre!
„Ach so“, sagte sie schließlich. „Deswegen hast du dich ... ähm, schick gemacht.“
Ich wagte nicht, ihre These zu bestätigen.
„Wer ist es denn? Ein Mädchen aus deiner Klasse?“
Oh Mann, was wurde das hier? Ein Verhör?
„Äh, nein. Ein ... Bekannter“, wich ich aus. „Also, wir waren doch gestern bei diesem Konzert. Und er ist ... der Sänger ... in der Band.“
„Oh, ein Prominenter! Kenne ich ihn vielleicht auch?“, witzelte sie.
Ich sah sie misstrauisch an. „Er ist nicht Howard Carpendale oder so.“
Nun sah sie mich beleidigt an. „So alt bin ich nun auch wieder nicht.“ Sie musterte mich erneut kritisch mit zusammengekniffenen Augen. „Wie kommt es, dass du von so jemandem Besuch bekommst? Leo erzählte, da wären an die 5000 Leute gewesen!“
„Was soll das denn heißen?“
„Na ja, bisher bin ich nicht davon ausgegangen, dass du Kontakt zu Rockstars pflegst.“
Was sie sich da jetzt schon wieder ausmalte ... Sex, Drugs and Rock’n’Roll ... Da dachte sie wohl an ihre eigene wilde Zeit mit den entsprechenden Bands. Ich verdrehte die Augen. Obwohl, so unrecht hatte sie vermutlich auch nicht. Und ich wollte sie ja auf Ares Erscheinung vorbereiten. „Nun, Are war auf Leos Geburtstagsfeier. Da habe ich ihn kennengelernt.“
„Und was will er von dir?“
Wieso hatte sie ‚von dir’ gefragt? Und nicht ‚bei dir’? Dieses eine kleine Wörtchen brachte mich sekundenlang aus dem Takt. Wollte er was ‚von’ mir? Und wenn ja, was?
„Er ... er will mich nur besuchen“, wich ich mit der Eleganz eines Siebeneinhalb-Tonners aus. „Wir haben uns gut verstanden.“ Was ja nicht einmal stimmte! Die Frage meiner Mutter dröhnte in meinem Kopf. Was will er von dir? Oder sollte ich mich mal besser fragen: Was will ich von ihm?
„Wie alt ist er denn?“, fragte sie mich weiter aus.
„Keine Ahnung ... 18 oder 20?“
„Aha.“ Wieder arbeitete es im Gehirn meiner Mutter. „Ach so, jetzt verstehe ich ... Du hast dich so hergerichtet, damit er dich wiedererkennt!“
Ich verdrehte die Augen. „Ja, ja, genau ...“
„Hm, jetzt weiß ich gar nicht ... Eigentlich hatten dein Vater und ich heute Essen gehen wollen.“ Sie grübelte.
„Ja, und?“ Das waren doch super Neuigkeiten! Leo im Kino und meine Eltern weg. Perfekt.
„Aber wenn du hier mit einem fremden Jungen ... Mann ...“ Sie runzelte wieder die Stirn. Wenn sie das noch öfter machte, brauchte sie bald eine Botox-Behandlung. „Ich meine, ich finde es ja nicht so gut, wenn hier dann ein Fremder im Haus ist.“
„Mama, bitte! Ich bin doch auch noch da!“
Sie sah mich zweifelnd an.
„Und vielleicht wollte Philipp auch noch kommen“, flunkerte ich drauflos. „Der wollte nämlich noch
Weitere Kostenlose Bücher