Tokio Vampire
hat den Körper unseres Sohnes übernommen.“
Meine Mutter fand das Ganze weniger lustig. „Und dann wollt ihr der Band nachreisen? Wie denn? Mit dem Zug?“
„Nein, vielleicht im Tourbus. Oder mit Ares Auto.“
Die Augen meiner Mutter wurden immer größer. „Und nachts?“
„Ich denke, wir werden im Hotel übernachten“, sagte Leo. „Lilyana kommt ja auch mit. Außerdem bin ich mit Are zusammen.“
Meine Mutter starrte sie entgeistert an. „Da halte ich ja gar nichts von. Du ... ihr könnt doch nicht bei so wildfremden Typen übernachten!“
Ich hörte, was zwischen den Zeilen mitklang. ‚Die nehmen doch bestimmt Drogen und haben auch sonst einen schlechten Einfluss!’
„Ich halte das ja für eine Schnapsidee“, meinte mein Vater jetzt auch noch überflüssigerweise.
„Es sind Ferien! Und es kostet nichts.“ Ich fand meine Argumente richtig super.
Mein Vater zuckte mit den Schultern. „Mir soll’s egal sein.“
„Thomas! Das kann dir doch nicht egal sein!“, wandte meine Mutter ein.
„Sie werden wohl nicht gefressen werden.“ Er ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank.
Ich sah vorsichtig zu meiner Schwester. Leo grinste siegessicher.
„Ich bleib dabei, ich halte da überhaupt nichts von. Aber meinetwegen ... Ich möchte aber, dass ihr eure Handys mitnehmt und erreichbar seid!“
An diesem Abend ging ich ziemlich zufrieden ins Bett. Ich kuschelte mich unter die Decke und überlegte, was ich für Klamotten mitnehmen wollte. Mussten wir auch vor der Halle warten? Dann waren dicke Pullover angesagt, und die waren ja jetzt ehrlich gesagt nicht so sexy. Aber für die nächsten Tage war nicht gerade sommerliches Wetter zu erwarten. Und wann ging es überhaupt los? Are hatte nur gesagt, dass er sich rechtzeitig melden würde. Wahrscheinlich bei Leo.
Das würde mich irgendwann noch umbringen.
Doch dann erinnerte ich mich an Ares Worte. Sofort überzog eine Gänsehaut meine Arme und Beine. Vielleicht würde er doch bei mir anrufen. Da war etwas zwischen uns, und wenn ich ganz viel Glück hatte, war es mehr als zwischen Leo und Are.
Ich zog die Knie an meinen Körper. Mein Herz schlug wie wild. Morgen würde ich ihn wiedersehen.
Morgen.
Keine Ahnung, wie ich überhaupt schlafen sollte. Die Nacht würde nie zu Ende sein.
Ich sprang wieder auf.
Und dann fiel mir ein, dass ich meine Tabletten schon wieder vergessen hatte. Seufzend tappte ich ins Badezimmer. Meine Medikamente waren auf ein Minimum reduziert, aber ich hatte die Befürchtung, wieder überraschende Schmerzattacken zu bekommen, würde ich die Pillen komplett weglassen. Ich hatte eine Zeit lang unter Cluster-Kopfschmerzen gelitten, aber niemand hatte die Ursachen herausfinden können. Kein Mensch wusste, was mit mir los war. Aber mit den Pillen ging es mir etwas besser. Bildete ich mir zumindest ein.
Ich warf mir die Tablette in den Mund und spülte mit Leitungswasser nach. Dummerweise blieb das Mistding in meinem Hals stecken und bahnte sich dann in Zeitlupentempo und ziemlich unangenehm einen Weg durch meine Speiseröhre, bis es endlich unten ankam.
Ich stützte mich auf dem Rand des Waschbeckens ab und schaute eine Zeit lang in den Spiegel. Mir sah ein blassgesichtiger Junge entgegen mit hellbraunen Haaren, nicht unhübsch, aber auch nicht so megageil, dass sich jemand nach ihm umgedreht hätte. Ich hatte blaue Augen, ziemlich hell, mit einem dunklen Rand um die Iris.
Reichte das, um Are ... zu verführen?
Meine Füße wurden kalt. Ich huschte schnell wieder ins Bett und kuschelte mich ein. Der Wind fegte ums Haus und rüttelte an den Rollos, es war ziemlich stürmisch. Hoffentlich war das Wetter morgen angenehmer. Es war nicht grundsätzlich so, dass ich was gegen Sturm hatte. Aber dann blieb ich lieber im Haus.
9
Am nächsten Morgen war ich ziemlich früh auf, um meinen Rucksack zu packen. Auch aus Leos Zimmer hörte ich Gerumpel und leises Fluchen. Wahrscheinlich stellte sie gerade fest, dass ihre Klamotten nicht alle in ihre Reisetasche passten! Ich grinste schadenfroh. Wenn ich dann noch überlegte, wie viel Schminkzeug und Haarspray sie mitnehmen musste ... Na ja, Are hatte ja ein großes Auto. Notfalls konnte sie zwei oder drei Koffer mitnehmen.
Are hatte bei Leo angerufen, was mich ein bisschen enttäuscht hatte. Sie hatte mit ihm abgesprochen, dass wir uns an der Tankstelle trafen. Es fehlte noch, dass unsere Eltern ihn begutachteten! Mama war natürlich nicht einverstanden gewesen. Sie wollte
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