Tokio Vampire
Ziel hieß eindeutig Marc Mirelli. Und der genoss Lilyanas Aufmerksamkeit in vollen Zügen.
Es war wohl nicht weiter verwunderlich, dass wir alle beschlossen, auch zum letzten Gig in Deutschland mitzufahren. Tourbus oder nicht, das war egal.
Meine Schwester, weil sie überhaupt nicht akzeptieren wollte, was sie gesehen hatte.
Lilyana, weil sie voll auf Marc abfuhr.
Und ich, weil ich mir nicht vorstellen konnte, jemals wieder ohne Are zu sein. Ich konnte es wirklich nicht. Und ich wollte auch nicht. Der Gedanke tat viel zu weh. Immer wenn etwas in dieser Richtung in meinem Gehirn entstand, zwang ich mich umgehend, etwas völlig anderes zu denken. Natürlich war mir klar, dass ich nicht die komplette Europatour mitmachen konnte, aber im Zeitalter von Internet und Handy sollte es doch wohl kein Problem sein, in Kontakt zu bleiben! Und ich war mir sicher, dass es Are auch möglich war, mal einen kurzen Abstecher nach Deutschland zu machen. Hey, er war ein Vampir! Einer mit magischen Fähigkeiten! Und er war ein Star! Und er hatte Geld! Das waren gute Voraussetzungen, um mir einen kurzen – und leidenschaftlichen – Besuch abzustatten. Soweit die Theorie.
13
Bei diesem letzten Gig in Deutschland tat Are etwas, das ich bisher noch nicht gesehen hatte. Er nahm sich eine von Haukes Akustikgitarren und setzte sich auf einen Barhocker, der mitten auf die Bühne gestellt wurde.
„Das ist unser – mein – letzter Song für heute. Verzeiht, wenn ich nicht so perfekt spiele wie Hauke. Aber ihr werdet es aushalten, hoffe ich.“
Die Leute lachten und klatschten.
„Ich möchte den Song jemandem widmen, der hier unten steht“, er deutete mit dem Zeigefinger nach unten, in unsere Richtung. Ich hielt den Atem an.
Und dann begann er zu spielen. Eine wunderschöne, melancholische Melodie. Seine Finger glitten so leicht über die Gitarrensaiten, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht.
Die ersten Worte des Songs rauschten an mir vorbei, zu sehr nahm mich seine Stimme gefangen. Wieder mal. Das würde wohl ewig so bleiben. Aber dann konzentrierte ich mich auf den Text, auf die Worte. Ich erstarrte.
You know me, know everything
My love, my little princess
You know about the pain and the pleasure
Feel the breath of eternity like a seldom treasure
Taste the darkness of pure desire
See the monster inside me
Feel your body on fire
But maybe there is something between us
Something special
Maybe you are the one
Maybe you are the one boy
But love
Needs time you do not have
I am the demon in you head
The thief running through your veins
But you got my heart
I am in chains
Believe me I know
How painful love can be
What will you do alone
I have to leave
I have to go
I am the one
I sing the song
You are my princess and soon you’ll be gone.
You’re drunk on immortality
But you are weak and fragile
So please don’t die
Don’t die ...
Tränen schossen mir in die Augen. Ich blinzelte, versuchte, an etwas anderes zu denken. Aber das war nicht möglich. Ares Stimme war in meinem Kopf, in meinem Körper.
Und dies war mein letzter Abend mit Are. Morgen würden Leo und ich nach Hause fahren. Dann waren wir kein Teil mehr dieses ganzen Wahnsinns. Bald würde es neue Leos und Liams in Ares Leben geben. Am Montag ging die Schule wieder los. Es war, als gehörte dieser Teil zu einem anderen Leben. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, aber der Schmerz war so heftig, dass es sich anfühlte, als wollte er mich zerreißen. Vielleicht hatte ich Glück, vielleicht würde er mich besuchen. Aber das war doch unwahrscheinlich, oder?
Er hatte diesen unglaublichen traurigen Song über mich geschrieben, über uns. Und er klang nach Abschied.
Ich hielt es kaum aus, bis der Song vorbei war. Dann, als Are die Bühne verlassen hatte, rannte ich hinaus. Ich konnte nicht mehr. Ich musste raus, musste allein sein.
Nur mit Mühe hielt ich das Schluchzen zurück, bis ich draußen war. Aber ich wollte nicht, dass jemand mich so sah, so durcheinander. Ich fühlte mich zerrissen, als hätte jemand eine Granate in mir gezündet.
Wie sollte ich mich von Are verabschieden? Ich hasste Abschiede! Und scheiße, ich hatte doch gewusst, dass diese Zeit, die Zeit mit ihm, irgendwann vorbei war! Aber wissen und fühlen, das war doch ein gewaltiger Unterschied. Warum war ich noch keine 18?! Ich denke, ich hätte was ganz Verrücktes gemacht, hätte alle Zelte abgebrochen und wäre mit Are auf Tour gegangen. In meiner Panik
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