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Tokio Vice

Titel: Tokio Vice Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jake Adelstein
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Hause zu erwischen.
    Ich hatte inzwischen mehrere Wochen damit verbracht, Hostessen- und Stripclubs in Roppongi zu besuchen. Anfangs war es irgendwie aufregend und amüsant. Genügend Alkohol und Pheromone ließen mich oft fast vergessen, dass der Grund meiner Recherchen tragisch und düster war. Nacktheit, sexy Tänzerinnen, Flirts, Alkohol, der Geruch nach Schweiß und Parfüm, der Kontakt mit Frauen, die ich mir normalerweise nie hätte leisten können – und die Yomiuri zahlte dafür. Das war nicht schleckt.
    Aber nach einer Woche ließ der Reiz nach. Ich bemerkte die Falten unter den Augen der Frauen, erfuhr ihre Lebensgeschichten, sah die Blutergüsse an ihren Armen. Und ich hörte, wie die japanischen Geschäftsführer über diese Frauen wie über Vieh redeten. Da ich gut zuhören konnte, erzählten die Mädchen mir nach und nach, wie das System wirklich funktionierte. Sie hatten keinerlei Freude an ihrem Beruf, und viele betrachteten ihre Kunden nur als Feinde, als Gauner, die sie melken mussten. Da war keine Rede mehr von Spaß.
    Meine Tochter Beni wurde im September dieses Jahres geboren, und ich wäre viel lieber zu Hause gewesen und hätte mich mit Sunao um die Kleine gekümmert. Stattdessen verbrachte ich jede Nacht in schmierigen, schummrigen Bars. Sunao wusste, wohin ich ging, und sie kannte meinen Job. Darum machte sie sich keine großen Sorgen. Sie war ja selbst Journalistin gewesen und wusste, dass sie als Frau eines Shakaibu -Reporters im Großen und Ganzen eine alleinerziehende Mutter sein würde.
    Ich fuhr mehrere Male ins »Outline«.14 Obara war dort ein häufiger Gast gewesen, und der Eigentümer besaß ein Foto von ihm, das fast 20 Jahre alt war. Ich verschwieg nicht, dass ich Reporter war, denn mir war klar, dass er es merken würde. Aber er ließ mich dennoch mit den Frauen reden, solange ich dafür bezahlte. Einige Frauen kannten Obara, und einige kannten auch Lucie. Da Lucie groß und freundlich war, war sie in dem kleinen Gebiet von Roppongi bekannt. Man mochte sie. Ich fand sogar ein Mädchen, das sowohl Obara als auch Lucie kannte, aber niemand hatte beide je zusammen gesehen. Dennoch ließ mein Chef nicht locker, ich musste jemanden finden, der eine Verbindung zwischen ihnen herstellen konnte, dann hatten wir einen Knüller.
    Der Geschäftsführer des »Outline« berichtete, dass Obara immer einen Leibwächter dabei gehabt habe, wenn er den Club besucht habe, einen kleinen, stämmigen Schlägertypen, der zugleich auch sein Fahrer gewesen sei. Die Mama-san sagte, dass Obara und sein Bodyguard sich sehr ähnlich gesehen hätten, Obara aber längeres, grau meliertes Haar gehabt habe. Sie fügte noch hinzu, dass Obara ein koreanisches Gesicht gehabt habe.
    »Wie sieht ein koreanisches Gesicht aus?«, fragte ich.
    Obaras Gesicht sei eher rechteckig als rund gewesen, meinte sie. Er habe nicht viel geredet und irgendwie melancholisch ausgesehen. Das war nicht gerade sehr hilfreich.
    Als Nächstes ging ich in den Club »Seventh Heaven«, denn ich hielt es für möglich, dass Lucie sich dort mit einigen Mädchen angefreundet hatte, da es damals noch nicht so viele Ausländerinnen gab, die in Roppongi arbeiteten.
    Der Club sah im Wesentlichen wie die meisten Stripclubs in Roppongi aus. Es gab eine kleine, runde, leicht erhöhte Holzbühne mit einer Stange und einem Vorhang dahinter. Der Raum war sehr dunkel. In die Decke hatte man Lautsprecher eingebaut. Sitzgruppen mit Sofas waren um die Bühne herum angeordnet. Ganz links befand sich der Bereich für private Tänzer, verhüllt von einem dicken Vorhang. Dort gab es auch drei Nischen mit Sesseln ohne Armlehnen.
    Während eines Privattanzes sitzt der Kunde, und das Mädchen lässt auf seinem Schoß die Hüften kreisen, solange ein Lied läuft – für 7000 Yen. Vielleicht kitzelt sie dem Kunden das Ohr mit der Zunge oder betastet seine Genitalien. Mehr aber nicht. Er darf ihre Brüste anfassen und, wenn er ein regelmäßiger Kunde ist oder für mindestens drei private Tänze bezahlt hat, auch an ihren Brustwarzen
saugen.
    Ein Mädchen namens Mindy unterhielt sich gerne mit mir. Sie war die einzige Rothaarige im Club. Ich bezahlte ein paar Getränke für sie, und während sie auf meinem Schoß saß, flüsterte sie mir Neuigkeiten ins Ohr. An diesem Abend waren kurz vor Öffnung des Clubs zwei Kripobeamte da gewesen und hätten dem Geschäftsführer ein Schwarzweißfoto gezeigt. Auf dem Bild seien zwei Männer gewesen, und der eine habe dem

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