Tokio
man sah die unscharfe Aufnahme eines Streifenwagens vor einem unscheinbaren Tokioter Haus. Polizei, schoss es mir durch den Kopf, während ich, meine Hände an die Scheibe gepresst, auf den Wolkenkratzer starrte, der langsam verschwand. Mein Atem ließ die Scheibe beschlagen. Bison. Warum bist du in den Nachrichten?
Es wurde bereits dunkel, als ich in das Takadanobaba-Haus zurückkehrte, und es brannte kein Licht. Svetlana stand draußen vor der offenen Tür und starrte auf etwas am Boden. Sie trug Go-go-Stiefel und einen knielangen flauschigen rosa Mantel und hielt einen Müllsack voller Kleider in der Hand.
»Hast du die Nachrichten gesehen?«, fragte ich. »Hast du Fernsehen geguckt?« »Es ist ganz mit Fliegen übersät.«
»Was?« »Schau.«
Das Laubwerk, das gewöhnlich das Haus umwucherte, war
platt getrampelt. Vielleicht hatten die Krankenschwester und der Chimpira hier draußen gestanden und unsere Fenster beobachtet. Svetlana schob es mit der Spitze ihres rosa Stiefels beiseite und zeigte auf ein totes Kätzchen - das Profil einer Schuhsohle prangte auf seinem zermalmten Kopf. »Suka, Miststück! Es ist nur kleines Miez. Es nichts tun.« Sie stellte den Müllsack achtlos an den Straßenrand, wischte sich die Hände ab und verschwand wieder die Treppe hinauf.
»Miststück.«
Ich folgte ihr ins Haus und schauderte unwillkürlich. Die zerschlagenen Glühbirnen und Bruchstücke der eingetretenen Türen lagen noch immer auf dem Boden verstreut.
»Hast du die Nachrichten gesehen?«, wiederholte ich und trat ins Wohnzimmer. »Funktioniert der Fernseher noch?« Das Gerät war auf die Seite gekippt worden, doch es funktionierte, als ich es aufrichtete und einschaltete. »Bai-san ist gerade im Fernsehen gewesen.« Ich drückte den Knopf, mit dem man die Sender wechselte. Da waren Zeichentrickfilme, Werbung für Energydrinks, Mädchen in Bikinis. Sogar singende CartoonStreifenhörnchen. Aber kein Bison. Ich zappte abermals durch die Kanäle und wurde langsam ärgerlich. »Irgendetwas ist passiert. Ich hab ihn vor zwanzig Minuten gesehen. Habt ihr denn nicht ...« Ich sah über meine Schulter. Svetlana stand mucksmäuschenstill in der
Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. Ich richtete mich auf. »Was ist?«
»Wir ziehen aus.« Sie deutete gestikulierend auf das Zimmer. »Schau.«
Überall standen grau-weiße Matsuya-Einkaufstüten herum, aus denen ein Sammelsurium an Dingen ragte. Ich sah ein Bündel Kleiderbügel, Klopapierrollen, einen Heizlüfter. Auf dem Sofa standen noch mehr Müllsäcke voller Kleidung. Ich hatte sie zuvor nicht einmal bemerkt. »Ich und Irina. Wir finden neuen Klub. In Hiroo.«
Just in diesem Moment tauchte Irina mit einer ganzen Ladung in Zellophanhüllen steckenden Kleidern über dem Arm auf. Sie hatte ebenfalls einen Mantel an und hielt eine stinkende russische Zigarette in der freien Hand. Sie ließ die Kleider fallen und stellte sich hinter Svetlana, legte das Kinn auf die Schulter ihrer Zwillingsschwester und sah mich betrübt an. »Netter Klub.«
Ich blinzelte verwirrt. »Ihr zieht aus? Wo werdet ihr denn wohnen?«
»Da, wo wir wohnen, wie sagt man noch? Zimmer oben in
Klub?« Sie legte ihre Fingerspitzen aneinander, küsste sie und sagte: »Spitzenklasse.«
»Aber wie«, sagte ich verständnislos, »wie habt ihr ...?«
»Mein Kunde helfen. Er bringen uns hin, jetzt gleich.«
»Grey, du sagen niemand kein Wort, ja? Du nicht sagen Mama Strawberry, wo wir hingehen, und auch nicht den anderen Mädchen. Okay?«
»Okay.«
Es entstand eine Pause, dann beugte sich Svetlana zu mir, legte ihre Hand auf meine Schulter und sah mir auf eine Art in die Augen, dass ich mich fast bedroht fühlte. »Jetzt hör zu, Grey. Du besser sprechen mit ihm.« Sie deutete mit einer Bewegung ihres Kopfs auf Jasons verschlossene Tür. »Etwas Ernstes.«
Irina nickte. »Er sagt uns: > Seht mich nicht an<, aber wir sehen ihn.«
»Ja. Wir sehen ihn, versuchen zu bewegen, versuchen zu ... wie sagt man noch? Krauchen? Auf Händen? Wie Hund?
Krauchen?«
»Kriechen?« Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. »Wollt ihr sagen, dass er kriecht?«
»Ja, kriechen. Er versuchen zu kriechen.« Sie sah nervös zu Irina. »Grey, hör zu«, sie leckte sich über die Lippen, »wir denken, es ist wahr - er brauchen Arzt. Er sagen, er will nicht zu keinem gehen, aber ...« Ihre Stimme erstarb. »Etwas ganz schlimm mit ihm. Etwas schlimm, schlimm.«
Die beiden Russinnen wurden von einem nervös
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