Tolle Maenner
schon lang keine Frau mehr. Er sagte sich, dass er nun eben die Zähne zusammenbeißen müsse. Er war fest entschlossen, alle richtigen Strippen zu ziehen.
Die Kellnerin, die noch immer vergeblich auf ihre Bestellung wartete, tappte schon ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Jon erinnerte sich dunkel daran, dass er etwas ganz Bestimmtes
tun sollte, wenn Beth ihre Wahl auf der Speisekarte traf. Verzweifelt kramte er in seinem Gedächtnis, aber es wollte ihm einfach nicht einfallen. War es was mit Kalbfleisch? Nein. Fast wäre er schon in Panik geraten, doch plötzlich wusste er es wieder. Er musste abwarten, was sie wählte.
»Ich nehme die Seezunge«, wandte sich Beth an die Kellnerin.
»Sind Sie auch ganz sicher, dass Sie das wollen?«, fragte Jon, stolz darauf, dass es ihm noch rechtzeitig eingefallen war.
»Warum? Ist der Fisch hier nicht frisch?« Beth war erstaunt.
Moment mal. Das war in seiner Lektion nicht vorgekommen. Zu spät wurde ihm klar, dass die Frau in Tracies fiktivem Szenario etwas sehr Kalorienreiches bestellt hatte.
»Wir bekommen unseren Fisch jeden Tag frisch geliefert«, sagte die Kellnerin feindselig, als wäre es eine persönliche Beleidigung, ihren Fisch in Frage zu stellen.
»Das habe ich nicht bezweifelt; tut mir Leid«, entschuldigte sich Jon. Er hatte das Merchant’s Café nicht beleidigen wollen. Was sollte er jetzt bloß tun? Nach kurzem Zögern sagte er: »Äh, ich nehme auch die Seezunge.« Er mochte Seezunge nicht besonders, aber es war eine versöhnliche Geste. Zumindest hoffte er das.
»Sie wird mit Salat serviert. Möchten Sie Kartoffeln oder Reis?« Kommentarlos nahm die Kellnerin die restliche Bestellung auf, bevor sie kopfschüttelnd davontrottete. Beth schaute ihn verwundert an.
»Sie sind ja witzig. Erst warnen Sie mich vor dem Fisch, und dann bestellen Sie selber welchen.«
Jon zuckte mit den Achseln. Na schön, in dem Punkt hatte er Mist gebaut, aber alles Weitere würde er nun richtig machen. Er überlegte, was James Dean an seiner Stelle getan hätte. Die Seezunge hätte er wahrscheinlich nicht bestellt. Was hatte Tracie ihm nur beigebracht? Er schaute Beth an. Sie hatte schöne dunkle Augen mit noch dunkleren Wimpern, aber dann fiel ihm wieder ein, dass er ihr das nicht sagen durfte. Als dann die Kellnerin wieder an ihren Tisch kam und ihnen den Salat brachte, legte
Jon seine Hand auf die der alten Frau, um sie aufzuhalten. Dann sah er Beth an und sagte zu ihr: »Hat sie nicht wunderschöne Augen?«
Doch kaum hatte er das gesagt, erkannte er plötzlich zu seinem Unbehagen, dass man die Augen der Kellnerin beim besten Willen nicht als schön bezeichnen konnte. Unter den Falten ihres runzligen Gesichts begraben, waren sie so gut wie unsichtbar.
»O ja, wirklich wahr«, pflichtete Beth ihm bei, vermutlich, um der Frau eine Freude zu machen. Oder weil sie dachte, dass Jon nett sein wollte.
»Danke«, antwortete die Kellnerin. Jon war es zwar nicht gelungen, Beth eifersüchtig zu machen, aber immerhin hatte er die Beleidigung mit dem Fisch wieder wettgemacht. Doch was nun? Das war alles wirklich furchtbar kompliziert. Er seufzte. Sobald die Kellnerin abgezogen war, begann er, etwas zu sagen, hatte aber auch Angst vor dem großen Schweigen.
»Das war aber lieb von Ihnen«, sagte Beth in genau dem Ton, den er schon sein ganzes Leben lang zu hören bekam. »Sie sind ein richtig netter Kerl.«
»Nein, das bin ich nicht«, sagte Jon entschiedener als beabsichtigt. Beth blinzelte mit den Augen, über die er keinerlei Kommentar abgeben sollte. Na super. Als nächstes fing er noch an von Koffern und dem Unabomber zu schwafeln, und sie rannte schreiend aus dem Lokal. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich. Beth sagte etwas über das Restaurant, und er musste aus seinen Grübeleien auftauchen und etwas antworten. »Sind Sie in Seattle aufgewachsen?«, brachte er gerade noch heraus. Gott, war das einfallslos, aber so sorgte er wenigstens dafür, dass das Gespräch nicht abriss. Sie erzählte von allen Städten, in denen sie schon mal gelebt hatte, aber er wurde abgelenkt: Aus dem Augenwinkel beobachtete er nämlich, wie Tracie und Phil hereinkamen und zu einem Tisch am anderen Ende des Restaurants gingen. O nein, dachte er – sie hatte ihm zwar gesagt, sie würde für ihn da sein, aber dass Phil sie begleiten könnte, hatte er irgendwie nicht auf der Rechnung gehabt.
Dabei war eigentlich klar gewesen, dass sie nicht allein kommen würde, und immer noch besser mit
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