Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
kauerte sie auf nacktem Eis, kurz vor der höchsten Gipfelspitze. Zu müde, um noch einen Schritt zu gehen.
»Steh auf«, dröhnte der Felsblock vor ihr.
Die Stimme veränderte sich und wurde zu Gustavs: »Sieh mich an, Kate.«
Gleißendes Licht, von dem sie aufschrie, blendete sie.
Sie schlug um sich, vergaß die gebrochenen Finger. Scharfer Schmerz jagte durch ihren gequälten Körper, strafte sie.
Langsam erkannte sie ein wenig von ihrer Umgebung, ein Gewimmel an Rohren und dahinter eine gekalkte Mauerwand, fühlte rhythmisches Stampfen. Der Heizungsraum. Vor ihr hockte Gustav. Er fixierte sie mit den hervorstehenden Augen und wirkte wütend.
»Ich wusste nichts davon. Vom Einbruch«, beschwor sie ihn.
Die Worte kamen nur schwer und eigenartig verzerrt heraus, als verweigerte ihre Zunge den Dienst.
Er nahm den frostigen Blick nicht von ihr, schüttelte den Kopf und knurrte: »Wie konntest du nur so dumm sein? Trink.«
Damit drückte er ihr einen Becher an die Lippen und flößte ihr heißen, süßen Tee ein.
Sie schluckte gierig. Genauso hastig verspeiste sie die beiden warmen Fleischpasteten, die er ihr nacheinander gab.
Gustav atmete durch den Mund und machte auch sonst keinen Hehl daraus, wie unerträglich sie stank. Nach all der Zeit im Loch kein Wunder. Ihr fehlte die Kraft, sich zu schämen.
Jetzt bemerkte sie, dass er seinen besten Anzug und die polierten Schuhe trug. Als wollte er ausgehen. Die Reisetasche neben ihm auf dem Boden beunruhigte sie. Plante er zu verreisen und würde er sie zurücklassen, erneut Madame ausliefern? Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fasste er in die Tasche und nahm eine Schere heraus. Kate wimmerte. Was wollte er damit? Sie verletzen?
Schon packte er sie am Ellbogen und zog sie hoch. Wehrlos stand sie da und wartete, zu schwach, um auch nur protestieren zu können.
Doch er machte sich nur daran, ihr die Haare zu schneiden. Erleichtert atmete sie auf, obwohl sie nicht verstand, warum ihm die ohnehin kurze Frisur nicht ausreichte.
Sie setzte an, Fragen zu stellen, aber er bedeutete ihr zu schweigen.
Schließlich schien er mit dem Ergebnis zufrieden und legte die Schere zurück.
Er zeigte zu einer im Raum aufgespannten Wolldecke und ordnete an: »Dahinter ausziehen und waschen. Beeil dich.«
Sie wankte einen Schritt in die angegebene Richtung und stöhnte. Sie fühlte sich, als hätte Madame sie am ganzen Körper grün und blau geprügelt. Was vermutlich auch stimmte. Selbst wenn sie die Zähne zusammenbiss, gab es ein anderes Problem. Sie deutete auf ihre rechte Hand.
»Ich brauche Hilfe. Ich kann mich nicht allein entkleiden. Die Knöchel. Gebrochen, fürchte ich«, würgte sie bruchstückhaft hervor.
Gustav fluchte in einer ihr unverständlichen, hart klingenden Sprache. Derartiges hatte sie nie zuvor bei ihm erlebt.
Wenig zartfühlend half er ihr, sich der Schürze und Jacke zu entledigen. Sein sauertöpfischer Gesichtsausdruck mit den zusammengepressten Lippen sprach Bände, wie ungern er die besudelte Kleidung berührte. Kate schloss die Augen, als er ihr beim Rest behilflich war. Nur mit Unterwäsche bekleidet, verkroch sie sich hinter die Decke und entledigte sich der letzten Teile. In einem Blecheimer schwamm ein Lumpen. Ein Stück Kernseife lag daneben. Dankbar wusch sie den Schmutz fort, der an ihr klebte. Die Seifelauge brannte in den Wunden, dass ihr die Tränen liefen. Das Gesicht zu berühren, schmerzte besonders stark. Dennoch, was für eine Wohltat zu leben und sich vom Dreck säubern zu können.
Gustav hatte sie aus dem Loch geholt. Ein Wunder.
Jetzt weinte sie nicht nur der scharfen Seife wegen.
»Madame?«, fragte sie und zog die Nase hoch.
Von der anderen Seite kam als Antwort nur ein Knurren. Gleich darauf ein: »Abtrocknen und anziehen.«
Damit warf er ihr einen Lumpen zum Abreiben und einige Kleidungstücke über die behelfsmäßige Abtrennung. Kate hob sie auf. Unterwäsche, Hemd, Socken, eine Hose, eine Weste und Jacke. Männersachen. Genauso wie die schwarzen Lederschuhe, die er ihr unter der Decke durchschob.
Sie stutzte nur kurz und schlüpfte dann in die Wäsche, dankbar, ihre Nacktheit bedecken zu können.
Lautes Grunzen ließ sie zusammenzucken. Nach einer Schrecksekunde fiel ihr der Hausmeister ein. Auch wenn sie ihn nicht sah, hockte oder lag der Mann vermutlich in seiner Ecke, betrunken und uninteressiert an allem, was ihn nicht betraf.
»Fertig?«, fragte Gustav unwirsch.
Sie schaffte es nicht, die offenen Knöpfe
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