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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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an Hose, Hemd und Weste zu schließen, geschweige denn die Schnürsenkel zu binden. Ihr blieb nichts übrig, als ihn ein weiteres Mal um Hilfe zu bitten.
    So peinlich sie die Situation fand, sie fühlte Dankbarkeit, als er die Arbeit für sie erledigte. Die Tränen rannen schon wieder.
    »Hör damit auf«, raunzte er sie an und drückte ihr ein Taschentuch in die unverletzte Hand. »Du machst jetzt ganz genau, was ich sage. Keine Fragen. Verstanden?«
    Sie nickte und tupfte sich vorsichtig das Gesicht ab.
    Er beugte sich zur Tasche, griff eine Flasche Pomade und träufelte ihr davon auf die Haare. Sorgfältig kämmte er sie nach hinten und mühte sich, einen sauberen Mittelscheitel zu ziehen. Erst als er ihr eine Kappe aufsetzte und eine Brille gab, begriff sie, dass er sie in einen jungen Mann verwandelt hatte. Der Kleidung nach in einen recht vornehmen. Er musterte sie, blies die Wangen auf und schüttelte den Kopf.
    »Bin gleich wieder da«, schnarrte er. »Rühr dich nicht vom Fleck.«
    Sie wartete. Nur das unregelmäßige Schnarchen des Hausmeisters und das Stampfen der Dampfmaschine unterbrachen die Ruhe. Alles fühlte sich unwirklich an, als wäre sie nicht hier.
    Gustav kam zurück und hielt ein Messer umklammert.
    Sein entschlossener Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Kate wich einen Schritt nach hinten.
Er hatte sie nicht befreit, um sie jetzt zu töten, oder?
    Gustav beachtete ihre Angst nicht. Stattdessen beugte er sich vor, hob das Hosenbein und schnitt sich in den Unterschenkel. Er legte das Messer fort, presste eine Mullbinde auf die Wunde und wartete, bis die Blutung nachließ. Dann befahl er Kate, näher zu kommen. Er nahm ihr Brille und Kappe ab und gab sie ihr in die Hand. Sorgfältig wickelte er die Binde um Stirn und Kinn.
    »Lass auch die Finger sehen.«
    Sie hielt sie ihm hin.
    Er kräuselte die Lippen, fasste in die Hosentasche und zog eine weitere Binde heraus.
    »Ich verbinde sie, so gut ich kann. Du benötigst aber einen Arzt, der sich das ansieht. Das muss warten, bis du in Sicherheit bist.«
    Kate konnte ein Wimmern nicht unterdrücken, als er die gebrochenen Stellen berührte. Sie zählte die Sekunden, bis er fertig wurde. Endlich ließ er sie los.
    Gleich verringerten sich die stechenden Schmerzen. Der Verband half.
    Gustav fackelte nicht lange und verlangte: »Kappe und Brille auf.«
    Er musterte sie von oben bis unten.
    »Warte«, war er noch nicht zufrieden und befestigte eine wertvoll aussehende Taschenuhr an ihrer Westentasche. Er hob ihr Kinn an und fixierte sie. Einer seiner Mundwinkel zuckte nervös.
    »Wenn du überleben willst, dann folgst du jeder meiner Anweisungen aufs Wort.«
    Kate öffnete den Mund, um zu antworten, doch er zerrte sie bereits mit sich, in der freien Hand die Reisetasche. Sie hinkte die Treppe hoch. Oben gab er ihr ein Zeichen zu warten und verschwand ein weiteres Mal. Ihr Herz hämmerte. Lieferte er sie jetzt Madame aus? Lachten beide die ganze Zeit darüber, wie sie Kate der Folter der Hoffnung unterzogen hatten, und sie gleich zurück in das Loch werfen würden?

19. Verwirrung
    Als er zurückkam, hielt er einen Herrenmantel im Arm.
    Sie weinte fast vor Erleichterung, weil er sie nicht verraten hatte. Ungefragt half er beim Hineinschlüpfen und beim Zuknöpfen. Wie die anderen Kleidungsstücke passte auch der Mantel wie angegossen. Gustav musste die Sachen speziell für sie besorgt haben.
    »Komm!«
    Sie folgte ihm zum Hinterausgang.
    Gustav schloss die Tür auf. Sie erwartete, dass die Hunde anschlugen, doch alles blieb ruhig.
    »Betäubt«, erklärte er ungefragt und schob sie ins Freie.
    All die Jahre im Haus eingesperrt und nun stand Kate im Hinterhof ihres Gefängnisses. Dort oben lag ihr Zimmer. Wie häufig hatte sie von diesem Augenblick geträumt und jetzt empfand sie neben der Winterkälte nichts als Erschöpfung, Schmerzen und Leere.
    Gustav nahm keine Rücksicht auf ihre Befindlichkeit.
    »Weiter!«, befahl er und zeigte auf den holperigen Pflasterweg, der zur Vorderseite des Anwesens führte.
    Kate stolperte ihm hinterher. Seinen schnellen Schritten zu folgen, fiel ihr schwer. Aus den Augenwinkeln sah sie einen der Schäferhunde regungslos in der Hundehütte liegen. Gustav sagte die Wahrheit. Er hatte die Hunde tatsächlich außer Gefecht gesetzt.
    Warum nur half er ihr? Er befolgte Madames Anweisungen doch sonst bis aufs Kleinste? Jetzt verhielt er sich, als verheimlichte er seiner Herrin, dass er Kate aus dem Loch errettet hatte.
    Das

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