Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
verweigerte Kate, sich von ihr das Frühstück in Stücke schneiden zu lassen und trug höchst unschickliche Garderobe. All dies würde die Hausdame der gerade erst zur Zofe ernannten Maria anlasten, denn eine ihrer Aufgaben bestand darin, die Baroness in die Gepflogenheiten des Hauses einzuführen.
Das bemitleidenswerte Geschöpf konnte die Furcht vor ihrer Vorgesetzten nicht verbergen. Zweifelsohne regierte Mrs. Harris die weiblichen Dienstboten mit eiserner Hand und erwartete bedingungslosen Fleiß und Aufopferung.
»Ohne Empfehlung finde ich keine Arbeit. Zu meinen Leuten kann ich nicht mehr. Die sind froh, mich los zu sein«, jammerte Maria.
Kate schluckte. Gustav hatte seine Angestellten ebenfalls bei der kleinsten Verfehlung entlassen, und bisher hatte sie sich nie Gedanken über die Folgen für die Betroffenen gemacht.
»Ich rede mit der Hausdame und entschuldige mich für das Bad. Ich erkläre ihr, ich wäre so unwissend gewesen und hätte dich gegen deinen Willen weggeschickt. Dass du mir heute nicht geholfen hast, wird sie nie erfahren. Gut?«
Maria zog ein Taschentuch hervor und wischte die Tränen ab.
»Mylady ist zu gütig«, sagte sie und lächelte scheu. Verschwörerisch flüsternd fügte sie hinzu: »Aber Sie sollten nicht so nett zu mir sein. Zumindest nicht, wenn Mrs. Harris dabei ist. Sie sagt, Herrschaften hielten immer Abstand zu Leuten wie uns. Alles andere schicke sich nicht.«
Dann stürmte sie los, brachte ihr den Morgenmantel und half ihr hineinzuschlüpfen.
Kate rieb sich die Stirn. Sie verstand. Die Regeln in diesem Haus mochten andere sein als die unter Madames Herrschaft. Sie einzuhalten, versprach aber genauso schwer zu werden.
Kaum hatte sie das Frühstück beendet und sich von Maria beim Ankleiden helfen lassen, da teilte ein Diener ihr mit, der Baron erwarte sie im Arbeitszimmer.
Der Raum ähnelte ein wenig Gustavs Bibliothek, denn die Wände waren ebenfalls mit Bücherregalen gesäumt. Der Baron saß gemeinsam mit dem Commissioner an einem Tisch im hinteren Bereich des Zimmers. Neben ihnen prasselte ein Feuer im Kamin und vertrieb die Morgenkälte.
Die Männer sprachen angeregt miteinander und beachteten sie nicht.
Verunsichert verharrte Kate an der Tür, doch der Bedienstete meldete laut ihre Ankunft. Der Baron blickte auf und winkte ihr zu, sich zu ihnen zu gesellen. Kate verzog den Mund zu etwas, was hoffentlich für ein Lächeln durchging, und eilte zum Tisch. Das Blut schoss ihr in die Wangen, als der Commisssioner sich erhob und vor ihr verbeugte.
Wüsste sie nur, welche Reaktion nun von ihr erwartet wurde!
»Du wirkst viel ausgeruhter und gesünder aus als gestern«, erlöste der Baron sie zum Glück aus der peinlichen Situation. »Wie geht es der Hand?«
Kate zeigte sie vor. Fest verbunden und die Brüche geschient, tat sie längst nicht mehr so weh wie zuvor. »Die Schmerzen haben bereits nachgelassen«, antwortete sie und registrierte dankbar, wie erleichtert er aussah.
Er deutete auf einen freien Stuhl und sagte: »Setz dich, Kind. Sei so gut und erzähle dem Commissioner und mir noch einmal in aller Ruhe und Ausführlichkeit, was dir in Audras Haus geschehen ist. Von Anfang an.«
Kate räusperte sich. Das würde dauern. Sie ließ sich nieder und begann wieder mit dem Tag, als Gustav sie bei Tante Eula abgeholt hatte.
Die Männer unterbrachen sie nur ab und zu, um Einzelheiten nachzufragen. Der Commissioner machte Notizen. Kate erzählte diesmal auch von ihrem Ausflug in die Kanalisation und ihrem Treffen mit den drei Einbrechern und Rufus, obgleich sie sich für ihre Dummheit schämte. Wie leichtgläubig sie doch auf Simons Lügen hereingefallen war!
Etwas behielt sie aber für sich. Als sie von den Geheimgängen berichtete, vermied sie es, die Öffnungsmechanismen zu erklären und verriet ebenfalls nichts von dem Schatz und dem Toten. Irgendwie schien ihr das klüger zu sein.
Ihr Vater schüttelte immer wieder den Kopf, wenn sie Madames Grausamkeiten schilderte. Als sie von der Begegnung mit Bruce Attenburg und den belauschten Gesprächen erzählte, wurde sein ohnehin bleiches Gesicht kalkweiß.
Am späten Nachmittag dieses Tages erfuhr Kate, dass Madame, Gustav und Rufus verhaftet und verhört worden waren. Dank Kates Informationen hatte der Commisssioner bereits zügig und gezielt die Hintergründe ermittelt.
Bruce Attenburg stritt jede Beteiligung an Elises Entführung ab. Er behauptete, keinerlei Verbindung zu Audra zu haben, die über
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