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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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Stille.
    Endlich bog die Dampfkutsche in eine von Lampen gesäumte Zufahrt ein und hielt vor einem hell erleuchteten Gebäude, gegen das Madames Haus geradezu bescheiden wirkte.
    Der Baron half erst Elise und dann ihr aus dem Wagen. Elise stützend führte er sie die wenigen Schritte bis zum Eingangsportal, an der bereits zwei Bedienstete warteten.
    Sie durchquerten eine nicht enden wollende Halle und liefen an einer schneeweißen Marmortreppe vorbei bis zu einem Prachtzimmer, in dem Kate endlich der Frau begegnete, die sie in ihrem bisherigen Leben bitterlich vermisst hatte. Wie oft hatte sie sich ausgemalt, wie ihre Mutter sie umarmte, ihr Liebe und Trost schenkte; all die verlorenen Jahre betrauerte.
    Die Baronin reagierte anders. Nachdem sie Elise für eine halbe Ewigkeit an sich gedrückt und dabei mit Koseworten überschüttet hatte, starrte sie Kate nur wortlos an. Ihr Mann setzte an, ihr zu erklären, was er von und über Kate erfahren hatte, doch sie schüttelte nur den Kopf. Ein gehauchtes Stöhnen, und sie sank in sich zusammen. Der Baron schien damit gerechnet zu haben, denn er und ein Diener eilten ihr sogleich zu Hilfe.
    Als sie wieder zu sich kam, jammerte sie, ihr sei schwindelig und sie brauche Ruhe nach dieser Aufregung.
    Der Baron äußerte Verständnis und bat Kate, ohne ihn auf den Arzt zu warten.
    »Sobald er Zeit hat, wird er dich aufsuchen. Solange wird sich unsere Hausdame Mrs. Harris um dich kümmern«, versprach er und nickte einer Frau zu, die das bisherige Geschehen mit unbewegter Miene verfolgt hatte. Nun knickste sie und verzog den Mund zu einem Lächeln, das Kate wenig freundlich vorkam.
    Falls die Hausdame überrascht war, einen Zwilling von Elise vor sich zu haben, dazu noch als Jüngling verkleidet, ließ sie sich nichts anmerken. Höflich bat sie Kate, ihr zu folgen. Zu müde und erschöpft, um antworten zu können, folgte sie ihr. Es ging zurück in die Halle, eine weitere Treppe hoch, einen breiten Flur mit farbenprächtigen Läufern entlang, bis Mrs. Harris endlich eine der Zimmertüren öffnete.
    »Entschuldigen Sie die Kälte. Uns war nicht bewusst, dass eine junge Lady uns beehren würde, deshalb ist der Wärmeschacht gerade erst geöffnet worden. Der Kohlejunge ist schon unterwegs und entfacht baldmöglichst das Kaminfeuer.«
    Die Hausdame zog an einer Schnur neben der Tür. Wie von Wunderhand leuchteten zwei Lampen auf und erhellten ein Schlafzimmer, das an Größe und Pracht Madames Salon in nichts nachstand. Zwar hatte Kate von elektrischem Licht gelesen, bisher war es ihr allerdings schwergefallen, sich diese moderne Errungenschaft in der Realität vorzustellen. Ein wenig enttäuscht bemerkte sie, dass die Glühbirnen nicht die Leuchtkraft einer Gasleuchte besaßen. Mrs. Harris zeigte ihr auch das angrenzende Badezimmer und versprach, schnellstmöglich eine warme Mahlzeit zu bringen und nach passender Kleidung zu suchen. Sobald der Arzt da sei, würde sie ihn zu ihr geleiten.
    Kate dankte ihr. Als die Frau fort war, bestaunte sie die Badewanne und drehte die Wasserhähne auf. Heißes, fast kochendes Wasser sprudelte aus dem einen. Der große, schwenkbare Ankleidespiegel bildete sie von Kopf bis Fuß ab. Ein unbekannter Jüngling, schmalbrüstig und bleich, der unübersehbar die Spuren von Madames Prügel im Gesicht trug.
    Ihre Gedanken gingen zu Gustav. Was würde mit ihm geschehen, wenn man Madame wirklich verhaftete? Nach allem, was sie im Geheimgang belauscht hatte, wusste er über Elises Entführung Bescheid.
    Sie fasste in die Brusttasche. Dort steckte noch immer der Ausweis. Sie zog ihn heraus und betrachtete ihn.
Eine perfekte Fälschung
, hatte der Beamte gesagt. Sicherheitshalber würde sie ihn behalten und verstecken.
    Zurück im Schlafraum setzte sie sich in den Armsessel am Fenster, zog den Vorhang zur Seite und blickte hinaus. Längst war es dunkel geworden und weder Sterne noch Mond zeigten sich. Da draußen war nichts zu erkennen als Schwärze.
    »Hätte ich Elise im Stich gelassen, könnte ich jetzt aus dem Flugschiff auf die Welt sehen«,
überlegte sie und schämte sich sofort für diesen ketzerischen Gedanken.
    Klopfen ließ sie zusammenzucken. Ein rotschopfiger Junge huschte ins Zimmer. Ohne ein Wort an sie zu wagen, heizte er den Kamin an und verschwand ebenso leise. Es klopfte ein weiteres Mal und Mrs. Harris kündigte den Arzt an, einen grauhaarigen Mann, dessen sanfte Augen ihr gleich die Angst vor ihm nahmen. Nach einer freundlichen Begrüßung

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