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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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zuhauf. Die Zeichen von Madames Wut interessierten Kate jedoch nur kurz. Lieber nutzte sie die Gelegenheit, sich das erste Mal im Leben ausführlich von Kopf bis Fuß nackt zu begutachten.
    Lautes Scheppern ließ sie zusammenfahren. Hektisch griff sie nach dem Morgenmantel, der auf einem Gestell neben der Tür drapiert war. In die Ärmel zu schlüpfen, gestaltete sich als schwierig. Den Gürtel zu verknoten, gelang ihr nicht mit nur einer Hand, also raffte sie den Stoff vor der Brust zusammen und eilte nach nebenan.
    Der Baron stand im Zimmer. Bei ihrem Anblick fixierte er schnell die Wand. Ihm war die Begegnung offensichtlich höchst peinlich. Er fing sich wieder, trat einen Schritt auf sie zu und fragte: »Ich wollte dich nicht stören, aber Mrs. Harris machte sich Sorgen um dich. Falls du ein Bad nehmen möchtest, bereitet das Mädchen dies für dich vor. Geht es dir gut?«
    Es klang, als interessiere er sich für die Antwort.
    »Ich fühle mich wie in einem Traum. Alles ist so unwirklich«, erklärte sie.
    Der Baron sah ihr in die Augen und lächelte schwach. »Verständlich. Du bist erschöpft von all den Erlebnissen. Elise schläft bereits. Die letzten Tage hat sie Fürchterliches durchgestanden, das arme Ding. Ihrer Mutter ist ähnlich zumute. Sie ist von zarter Konstitution und fast vor Sorge um ihr Kind umgekommen.«
    Kate fiel das Stehen schwer, sie sehnte sich danach, sich hinlegen, sich ausstrecken zu können. Und sie sehnte sich danach, in den Arm genommen zu werden.
    Einen Moment hoffte sie darauf, dass der Baron sie festhielte, sie an sich drückte als vermisste Tochter.
Unsinn
, knurrte ihr Verstand.
Bitte
, flehte ihr Herz.
    Ihr Vater musterte sie und sagte: »Ich lasse dich nun schlafen. Du siehst bleich aus. Was mir eingefallen ist. Bist du getauft?«
    Kate begriff die Frage nicht gleich.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie verunsichert.
    Seine Mundwinkel rutschten kurz nach unten, dann lächelte er ein wenig gezwungen.
    »Nun, nicht dein Verschulden. Falls nicht, müssen wir das schnellstmöglich nachholen. In meinem Haus leben nur gottesfürchtige Menschen.«
    Damit drehte er sich um und ging.
    Kate riss sich zusammen, kehrte ins Badezimmer zurück und ließ Wasser in die Wanne ein. Ab und zu wischte sie einzelne Tränen fort. Wieso sollte sie für diese einfache Tätigkeit Hilfe benötigen, selbst wenn sie nur eine Hand benutzen konnte? Sie badete und wusch sogar die Haare. Ein himmlisches Gefühl, sich mit dem dicken Handtuch abzutrocknen, von Kopf bis Fuß sauber zu sein und köstlich zu riechen. Ihre Gedanken gingen zu Madame. Wie oft hatte diese ähnlichen Luxus genossen und das für selbstverständlich gehalten? Kate kleidete sich in das Nachtzeug, legte sich ins Bett und schloss die Augen. Taufen? Weshalb war ihm das bloß so wichtig, dass er sie noch an diesem Tag danach fragte? Die Müdigkeit ließ sie nicht nachdenken. Sie hörte, wie die Tür geöffnet und das Tablett entfernt wurde, schaffte es aber nicht mehr, sich dafür zu bedanken.

23. Erklärungen
    Der nächste Morgen begann damit, dass das Mädchen vom Tag zuvor klopfte, die Gardinen zurückzog und gleich darauf ein Tablett mit Frühstücksköstlichkeiten herbeischaffte. Gebratene Nieren, Spiegeleier, knuspriger Speck und Würstchen, dazu gebräunter Toast. Als sie Anstalten machte, ihr das Ganze im Bett zu servieren, stand Kate schnell auf und setze sich im Nachthemd an den Tisch. Die junge Frau wirkte reichlich verstört, brachte ihr aber das Essen. Mit leiser Stimme bot sie an, ihr beim Zerschneiden zu helfen. Kate verzichtete und griff hungrig zu. Was sich nicht mit der Gabel zerteilen ließ, biss sie ab.
    »Schmeckt köstlich«, sagte sie zu der Angestellten, die jetzt das Bett machte. Erschreckt hielt sie inne. War das gerade eine Träne gewesen, die auf die Decke getropft war?
    »Geht es dir nicht gut«, fragte sie. Jetzt erinnerte sie sich wieder an ihren Namen.
Maria
.
    Die Hände des Mädchens bebten und schließlich schluchzte es los. Kate warf das Besteck weg und sprang auf. Wie sollte sie reagieren?
    »Mrs. Harris entlässt mich. Das hat sie gesagt. Weil ich meine Arbeit nicht erledige, wie es von mir verlangt wird. Wo soll ich dann hin?«, brachte Maria heraus und quälte sich auch noch mit Schluckauf herum.
    Es dauerte eine Zeit, bis Kate verstand, dass sie an dem Unglück schuld war.
    Ihr Bad gestern Abend war nicht unbemerkt geblieben. Marias Pflicht als Zofe wäre gewesen, ihr dabei zu helfen. Jetzt

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