Tolstoi, A. K.
hatte. Ich konnte sie erst nach sechs Monaten beenden. Was soll ich sagen? Es ist eine traurige Wahrheit, die ich Ihnen erzählen muss, aber deswegen ist es nicht weniger wahr, dass es wenige Gefühle gibt, die anhaltend sind. Der Erfolg meiner Verhandlungen, die Ermutigungen, die ich vom Versailler Kabinett bekam; mit einem Wort, die Politik, diese grausige Politik, die uns in der letzten Zeit so sehr gelangweilt hat, schwächte sehr schnell die Erinnerung an Sdenka. Die Frau des Gospodars, eine sehr schöne Frau, welche unsere Sprache perfekt beherrschte, hatte mir vom Moment, in welchem ich ankam, die Ehre erwiesen, mich anderen jungen Fremden, die sich auch in Jassy aufhielten, vorzustellen. In den Prinzipien der französischen Ritterlichkeit erzogen hätte mein gallisches Blut dagegen revoltiert, der Schönheit Wohlwollen undankbar zu sein. Ich antwortete auch höflich den Annäherungsversuchen, die mir gemacht wurden und, um die Interessen und die Rechte Frankreichs geltend zu machen, fing ich an mich mit denen des Gospodars zu identifizieren.
In mein Land zurückgerufen, nahm ich denselben Weg, der mich nach Jassy gebracht hatte.
Ich dachte weder an Sdenka noch an ihre Familie, als ich an einem Abend, über die Wiesen reitend, eine Kirchenglocke acht Uhr schlagen hörte. Dieser Ton schien mir nicht unbekannt und mein Führer sagte mir, er komme von einem nicht weit entfernten Kloster. Ich fragte ihn nach dem Namen und erfuhr, dass es das Kloster der Jungfrau der Eiche war. Ich trieb mein Pferd härter an und bald klopften wir an die Türe des Klosters. Der Eremit öffnete uns und führte uns zum Gemach für Besucher. Ich fand es so von Pilgern überfüllt vor, dass mich die Lust verließ, die Nacht dort zu verbringen und fragte, ob es möglich sei, eine Unterkunft im Dorf zu finden.
„Ihr werdet mehr als nur eine Unterkunft finden“, antwortete der Eremit seufzend, „dank dem ungläubigen Gorcha mangelt es nicht an leeren Häusern!“
„Was soll das bedeuten?“, fragte ich. „Lebt der alte Gorcha noch?“
„Oh nein, der ist schön und gut mit einem Pfahl im Herzen beerdigt! Aber er hatte das Blut von Georges Sohn getrunken. Das Kind ist eines Nachts wiedergekommen, stand weinend vor der Tür und sagte, es hätte kalt und wolle hineinkommen. Die dumme Mutter, obwohl sie es selbst beerdigt hatte, hatte das Herz nicht, es zurück zum Friedhof zu jagen, und öffnete ihm die Tür. Es stürzte sich also auf sie und saugte sie zu Tode. Sie wurde auch beerdigt, aber sie kehrte zurück und trank das Blut ihres zweiten Sohnes und dann das ihres Mannes und das ihres Schwagers. Sie erwischte alle.“
„Und Sdenka?“, fragte ich.
„Oh, die wurde verrückt vor Schmerz, armes Kind, sprecht mir nicht davon!“
Die Antwort des Eremiten war nicht positiv und ich habe nicht den Mut, sie zu wiederholen.
„Der Vampirismus ist ansteckend“, fuhr der Eremit fort und bekreuzigte sich, „viele Familien im Dorf sind betroffen, viele Familien sind bis zu ihren letzten Mitgliedern tot, und wenn Sie mir glauben, verbringen Sie die Nacht im Kloster, denn obwohl Sie im Dorf nicht von den Wurdalaks ausgesaugt werden, würde das, was sie Ihnen antun, reichen, dass Ihre Haare weiß werden, bevor ich noch die Messe einläuten kann. Ich bin nur ein armer Religiöser“, fuhr er fort, „aber die Großzügigkeit der Reisenden hat mich wohlhabend gemacht, um ihnen zu dienen. Ich habe hervorragenden Käse, getrocknete Trauben, die Euch das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen wenn Ihr sie nur schon seht, und ein paar Flaschen Wein aus Tokay, der dem, welchen wir Hochwürden, dem Patriarchen, servieren, in nichts nachsteht!“
Es schien mir in diesem Moment, dass sich der Eremit zu einem Gastwirt gewandelt habe. Ich dachte, dass er mir absichtlich angsterregende Märchen erzählt hatte, um mir Gelegenheit zu geben, es mir im Himmel gemütlich machen zu können, indem er die Großzügigkeit der Reisenden nachahmte, die den heiligen Mann wohlhabend gemacht hatten, um ihnen zu dienen.
Außerdem hatte das Wort Angst die Wirkung, die ein Bügelhorn auf einen Kriegslaufburschen hatte. Ich hätte mich geschämt, wenn ich nicht sofort gegangen wäre. Mein Führer fragte mich zitternd, ob er bleiben dürfe, und ich erlaubte es ihm bereitwillig.
Ich erreichte das Dorf in etwa einer halben Stunde. Ich fand es leer vor. Nicht ein einziges Licht brannte in den Fenstern, man konnte nicht ein einziges Lied hören. Ich ritt in Stille an
Weitere Kostenlose Bücher