Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
Vom Netzwerk:
nicht gar zu weitläufige Base von einem irländischen Reichsbaron; zweitens hatte sie mehr Jahrlohn, und endlich war sie in London gewesen und hatte folglich mehr von der vornehmen Welt gesehen. Sie hatte sich also beständig gegen Jungfer Honoria mit derjenigen steifen Zurückhaltung benommen und immer jene Merkmale des Vorrangs von ihr erzwungen, welche jede Klasse von Weibern, im Umgange mit denen von einem niedrigern Range, beobachtet und verlangt. Nun aber war Honoria mit dieser Lehre nicht zu allen Zeiten so völlig einstimmig, sondern pflegte oft den Respekt hintanzusetzen, welchen die andre von ihr begehrte. Die Kammerjungfer der ältern Dame fand an Honorias Gesellschaft nicht den mindesten Gefallen. In der That sehnte sie sich herzlich, nach dem Hause ihrer Herrschaft zurückzukehren, worin sie nach Herzenslust über alle übrigen Bediente schaltete und waltete. Es war ihr also ein böser Strich durch die Rechnung gemacht worden, als den Vormittag ihre gnädige Herrschaft, gerade da sie auf dem Punkte stand abzureisen, ihren Vorsatz geändert hatte, und sie war seitdem beständig, wie man zu sagen pflegt, voller Piken.
    In dieser nicht gar sanften Laune kam sie in das Zimmer, woselbst Honoria auf die vorhin erzählte Art beratschlagte. Honoria ward ihrer nicht so bald gewahr, als sie solche auf folgende höfliche Weise anredete: »So! Mädäm, ich seh', wir werd'ns Vergnügen von Dero G'sellschaft noch läng'r hab'n! Ich fürchtet' schon, die Verunein'gung zwischen unsern gnäd'gen Herrn und Ihrer Dame hätt' uns Sie rauben woll'n.« – »Ich wees nich, Mätäm,« antwortete die andere, »wos Sie met tem Wir und Uns meenen? Kloben Se mir, ich kenne keene Perschon unterm kanzen Hooskesinde, die sich für meen Kesellschaft schickte. Ich meene, sollt' ich wohl hoffen, meine Kesellschaft sei nicht zu schlecht für Ihre Herrschaften, vom Sonntag bis zum Sonnabend henzu. Ich will das nich von Ihnen kesagt hoben, Jungfer Honoria, tänn Sie sind eene zivilisierte hübsche Jungfer, und wänn Sie eenmal nur een pischen mehr [18] von der Welt werden kesähn hoben, so werde ich mir keene Schande draus machen, mit Ihnen in London im Parke schpazieren zu köhn.« – »Daß dich! je! Wasch mir'n Pelz, und mach mir'n nicht naß!« rief Honoria. »Mein'r Ehr', die Dame thut 'n mal wieder mächtig vornehm! Jungfer Honoria! daß dich! Vorwahr, Madahme, Sie würde an meinem Zunamen nicht ersticken. Denn, obschons mein' Frölen mich Honoria nennt, so hab' ich doch ein'n Zunamen so gut als andre Leut'. Schande draus mach'n, mit mir spazieren zu gehn. Ich dacht' was mir biß! Ich meene, sollt ich wohl hoffen – ich bin eben so gut, wie Sie!« – – »Weil Sie tänn meine Höflichkeit so schlecht pelohnt,« sagte die andere, »so muß ich Ihr klaren Wein einschenken, Jungfer Honorja! daß Sie nicht so kut ischt, als ich. Ufm Lande ist mer wohl freelich kenötigt, met allerlei Fetzen vorlibe zu nehmen, davor aber, wenn ich in der Schtadt pin, so pesuch ich niemant als Kammerfrauen von Tamen vom vornähmschten Atel. Kewiß, Jungfer Honoria, es ist en kraußer Unterschied unter Ihr und mir, sollte ich wohl meenen.« – »Hoff' es gleich wiedrum so viel!« antwortete Honoria, »so'n g'wisser Unterschied in 'm Alter, und – ich denk' auch, in unsern Personen!« Sowie sie diese letzten Worte aussprach, strotzte sie mit der beleidigendsten, höhnischsten Miene vor Ihro Gnaden Kammerdienerin vorbei, warf die Nase in die Höhe, schüttelte den Kopf und knitterte ihr den Reifrock gewaltig mit ihrem eigenen zusammen. Das andre Dämchen machte eins von ihren boshaftesten Hohngesichtern, und sagte: »Keschöpf! Sie ist unter meinem Zorne! Man konnte mirsch vertänken, wänn 'ch mich durch niederträchtige Worte met so eenem frechen, naseweisen Treppenfeger kemeen machen wollte; aber, Mamselchen, tos muß ich Ihr sagen: Ihre Kemeenheeten zeigen sowohl von Ihrer schlechten Herkunft, als von Ihrer schlechten Erziehung, und beede machen Sie recht keschickt dazu, eine nietrige Aufpasserin pei eenen Landmädchen zu sein!« – »Mit Respekt von mein Frölen gesprochen«, schrie Honoria. »Solch Verwegenheit leid 'ch nicht von Ihr, mein'r Ehr, das sag' ich Sie. Sie ist ebensoviel besser, als Ihre, als sie jünger ist, und ist noch hunderttausendmal schöner!«
    Hier führte das böse, oder vielmehr das gute Glück Ihro Gnaden das Fräulein von Western herbei, die ihre Jungfer in Thränen sehen mußte, welche bei ihrer Ankunft gar reichlich zu

Weitere Kostenlose Bücher