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Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition)

Titel: Tom Jones. Die Geschichte eines Findlings (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Fielding
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fließen begannen. Da ihre Herrschaft nach der Ursache fragte, so benachrichtigte sie ihr alsobald, ihre Thränen flössen über die grobe Behandlung, die sie von dem Geschöpfe da (womit sie Honoria meinte) hätte erleiden müssen. »Und, mein knädigste Fräulein«, fuhr sie fort, »ich hätte alles mit krausser Verachtung anhören können, was sie mir uf mich sagte, aber da hat sie die kräuliche Frechheit kehabt, [19] Ihro Knaden zu verunehren, und Ihro Knaden häßlich zu heißen. – Ja, Ihro Hochwohlkepornen Knaden, sie sagte es mir in mein Antlitz hinein, Ihro Knaden wären eene häßliche alte Katze. Ich konnt's nicht ausstehn, Ihro Knaden für häßlich ausschelten zu hören.« – »Nun, was hat Sie des Mensch seine Unverschämtheit so oft zu wiederholen?« sagten Ihro, des Fräulein von Westerns Gnaden. Und hierauf wendete sie sich zu Jungfer Honoria und fragte die, wie sie die Frechheit haben könne, ihren Namen mit Unehrerbietigkeit auszusprechen? – »Mit Unehrerbietigkeit, Ihro Gnaden!« antwortete Honoria, »ich habe R' Gnaden Namen nicht aus'm Munde gehn lass'n, gar nicht! Ich sagte nur, jemand wäre nicht so schön, als meine gnäd'ge Frölen; und vorwahr, das wissen 'R Gnad'n ja ebensogut, als ich selbst!« – »Mensch!« sagte die Dame, »ich will dich lehren, daß ein Name, wie der meinige, zu heilig ist, um über die Zunge eines solchen Schandnickels zu gehen. Und wenn mein Herr Bruder dich nicht, eh' ich noch hundert zähle, aus dem Hause weiset, so will ich unter seinem Dache kein Auge wieder zuthun. Hier von der Stelle geh' ich hin, ihn aufzusuchen, daß er dich den Augenblick aus'm Hause werfen lassen soll.« – »Aus'm Haus' werfen! mir! nun, wenn's weiter nichts ist!« schrie Honoria, »'s gibt ja mehr Plätz' in der Welt! Lieber Gott! gute Bediente wiss'n immer unterzukommen! ist's nicht hierum, so ist's dort. Und woll'n Se all' aus'm Dienst jag'n, die Sie nicht für schön halten, so wird's Ihn'n bald an Bedienten fehlen; das lassen's sich nur von mir sagen!«
    Ihro Gnaden, Fräulein von Western antworteten, oder vielmehr donnerten eine Antwort: da solche aber kaum artikuliert war, so können wir die eigentlichen Worte nicht genau anführen. Wir vermeiden es also, eine Rede beizubringen, welche doch am Ende ihr nicht sonderlich zur Ehre gereichen möchte. Sie ging dann gleich darauf fort, ihren Bruder aufzusuchen, mit einem Gesicht, dergestalt aufgeschwollen von Wut, daß sie mehr einer von den drei Furien, als einer menschlichen Gestalt ähnlich sah.
    Nachdem die beiden Zofen abermals allein bei einander gelassen waren, begann ein neuer Zank loszubrechen, welcher bald darauf einen thätigern Handkampf veranlaßte. In diesem neigte sich der Sieg auf die Seite des Dämchens vom mindern Range; bei alledem doch nicht ohne einigen Verlust von Blut, Haaren und Fetzen von Blonden und Flor und Musselin.

[20] Neuntes Kapitel.
    Das hochweise Betragen des Herrn Western in der Amtsführung eines Richters. Ein Wort ins Ohr der Landrichter über die nötigen Eigenschaften ihrer Aktuarien oder Gerichtsschreiber; nebst außerordentlichen Beispielen von väterlichem Unsinn und kindlicher Liebe.
     
    Die Logiker beweisen zuweilen durch einen künstlichen Schluß zu viel; und die Politiker machen oft ein Projekt, das sie selbst über die Gänseweide führt. Das wäre auch der Jungfer Honoria beinahe begegnet; welche, anstatt das übrige ihrer Kleider zu retten, auf dem Punkte stand, diejenigen im Stiche lassen zu müssen, welche sie an ihrem Leibe trug: denn der Junker hatte nicht sobald vernommen, daß sie seiner Schwester unehrerbietig begegnet hätte, als er wohl zwanzig Flüche ausstieß, er wolle sie nach dem Zucht- oder Werkhause schicken.
    Ihro Gnaden, Fräulein Tante von Western, waren wirklich eine gutherzige Dame und gewöhnlich von einer sehr verzeihenden Gemütsart. Sie hatten noch neulich das Vergehen eines Postillons verziehen, der ihre eigene Reisechaise angefahren und in einen Graben geworfen hatte; ja, sie hatten die Gesetze des Landes übertreten, indem sie sich geweigert, einen Straßenräuber vor Gericht zu belangen, welcher Dieselben nicht nur einer Summe Geldes, sondern sogar ihrer Ohrringe beraubt und dabei schändlich geflucht, geschworen und gesagt hatte: »So schöne Wetterhexen, wie Sie, brauchen keine Juwelen, um sich noch mehr zu putzen, hol' Sie der Satan!« Jetzt aber, so unsicher ist unsre Art zu denken, und so ungleich sind wir uns selbst, von einer Zeit zur andern!

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