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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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und ging in die Küche. Sie war schon angezogen. Sie trug das Reisekostüm, das sie auch bei der Ankunft angehabt hatte.
    Unentschlossen hockte Tom auf der Sofakante und lockerte seine Krawatte. Er hatte in seinen Kleidern auf dem Sofa geschlafen, und Marge hatte ihn geweckt, als sie vor ein paar Minuten heruntergekommen war. Wie er die ganze Nacht in dem kalten Zimmer hatte schlafen können, war ihm unbegreiflich. Es verstörte ihn. Marge war höchst erstaunt gewesen, ihn hier vorzufinden. Ein Krampf saß in seinem Genick, seinem Rücken und seiner rechten Schulter. Ihm war elend. Plötzlich stand er auf. »Ich gehe nach oben, mich waschen«, rief er Marge zu.
    Oben warf er einen Blick in sein Zimmer und sah, daß Marge ihren Koffer gepackt hatte. Er lag mitten im Zimmer, geschlossen. Tom hoffte, daß sie und Mr. Greenleaf trotzdem mit einem der Vormittagszüge abreisen würden. Sicherlich würden sie abreisen, denn Mr. Greenleaf sollte ja in Rom den amerikanischen Detektiv empfangen.
    Tom zog sich in dem Raum neben Marges Zimmer aus, ging ins Badezimmer und drehte die Brause auf. Nach einem Blick in den Spiegel beschloß er, sich erst einmal zu rasieren, und er ging wieder hinüber in das Zimmer, um seinen elektrischen Rasierapparat zu holen, den er, ohne besonderen Grund, aus dem Badezimmer entfernt hatte, als Marge kam. Auf dem Rückweg hörte er das Läuten des Telephons. Marge hob ab. Tom lehnte sich über das Treppengeländer und horchte.
    »Oh, das ist ja schön«, sagte sie. »Ach, es schadet gar nichts, wenn wir nicht . . . Ja, ich werde es ihm sagen . . . Gut, wir beeilen uns. Tom wäscht sich gerade . . . Oh, in weniger als einer Stunde. Wiedersehn!«
    Er hörte, wie sie sich der Treppe näherte, und trat vom Geländer zurück, denn er war nackt.
    »Tom?« schrie sie herauf. »Der Detektiv aus Amerika ist eben gekommen! Mr. Greenleaf hat gerade angerufen, er kommt vom Flughafen herüber!«
    »Schön!« rief Tom zurück und ging verärgert ins Badezimmer. Er drehte die Brause ab und schloß den Rasierapparat an die Steckdose an. Wenn er nun unter der Brause gestanden hätte? Marge hätte trotzdem heraufgeschrien, sie hätte einfach vorausgesetzt, daß er sie hören konnte. Er würde froh sein, wenn sie weg wäre, und er hoffte inständig, sie führe noch heute vormittag ab. Es sei denn, sie und Mr. Greenleaf entschlössen sich, noch zu bleiben, um zu sehen, was der Detektiv mit ihm anstellen würde. Tom wußte, der Detektiv war eigens dazu nach Venedig gekommen, um ihn zu sehen, sonst hätte er gewiß in Rom auf Mr. Greenleaf gewartet. Tom fragte sich, ob auch Marge das wußte. Wahrscheinlich nicht. Dazu brauchte man ein Minimum an Logik.
    Tom wählte einen unauffälligen Anzug und eine ebensolche Krawatte, dann ging er hinunter, um mit Marge Kaffee zu trinken. Er hatte so heiß wie irgend erträglich geduscht, und nun ging es ihm viel besser. Marge sagte während des Kaffetrinkens nicht viel, nur daß die Ringe sowohl für Mr. Greenleaf wie auch für den Detektiv ausschlaggebend sein dürften, und sie meinte damit, daß es auch für den Detektiv jetzt klar sein dürfte, daß Dickie sich umgebracht hätte. Tom hoffte, daß sie recht hatte. Alles hing davon ab, was für ein Mensch dieser Detektiv war. Alles hing davon ab, wie der erste Eindruck ausfiel, den der Detektiv von ihm gewinnen würde.
    Es war wieder ein grauer, feuchtkalter Tag, es regnete nicht richtig um neun, aber es hatte geregnet und es würde wieder regnen, wahrscheinlich gegen Mittag. Tom und Marge nahmen die Fähre von der Kirchentreppe zum Markusplatz, von dort aus gingen sie zum »Gritti«. Sie telephonierten zu Mr. Greenleafs Zimmer hinauf. Mr. Greenleaf sagte, Mr. McCarron sei da und sie möchten bitte hinaufkommen.
    Mr. Greenleaf öffnete ihnen. »Guten Morgen«, sagte er. Väterlich drückte er Marges Arm. »Tom . . .«
    Tom trat hinter Marge ein. Der Detektiv stand am Fenster, ein kleiner untersetzter Mann von etwa fünfunddreißig Jahren. Sein Gesicht war freundlich und wachsam. Mäßig intelligent, aber nur mäßig, war Toms erster Eindruck.
    »Dies ist Alvin McCarron«, sagte Mr. Greenleaf. »Miss Sherwood und Mr. Tom Ripley.«
    Sie alle sagten: »Sehr erfreut.«
    Tom bemerkte auf dem Bett eine nagelneue Aktentasche und einige Papiere und Photos drumherum. McCarron unterzog ihn einer genauen Inspektion.
    »Wie ich höre, sind Sie ein Freund Richards?« fragte er.
    »Das sind wir beide.«
    Es gab eine minutenlange Unterbrechung,

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