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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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gleicher Größe.
    Obendrein sagte Dickie auch noch »Schönen Dank, Mr. Greenleaf«, als Tom den Kutscher bezahlte. Tom war fast ein wenig unheimlich zumute.
    Nachts um eins waren sie noch viel besserer Stimmung, nachdem sie zum Abendessen zu zweit anderthalb Flaschen Wein ausgetrunken hatten. Einander fest umschlungen haltend, kamen sie singend daher, und plötzlich an einer finsteren Ecke prallten sie auf ein Mädchen und rissen es zu Boden. Unter tausend Entschuldigungen halfen sie ihm wieder auf und erboten sich, es nach Hause zu eskortieren. Sie protestierte, die beiden ließen nicht locker und nahmen sie in die Mitte. Sie müsse einen bestimmten Bus erreichen, sagte sie. Davon wollte Dickie nichts hören. Er winkte ein Taxi heran. Sehr brav saßen Dickie und Tom auf den Klappsitzen, die Arme verschränkt, wie ein Paar Lakaien, und Dickie unterhielt sich mit ihr und brachte sie zum Lachen. Tom konnte beinahe alles verstehen, was Dickie sagte. In einem kleinen Gäßchen, das wieder ganz nach Neapel aussah, halfen sie ihr heraus, sie sagte: »Grazie tante!« und schüttelte beiden die Hand, dann verschwand sie in der absoluten Schwärze eines Torweges.
    »Hast du das gehört?« sagte Dickie. »Sie hat gesagt, wir wären die nettesten Amerikaner, die ihr je begegnet seien!«
    »Kunststück - die meisten buckligen Amerikaner würden in so einem Falle etwas anderes machen - sie vergewaltigen«, sagte Tom.
    »Wo sind wir eigentlich?« fragte Dickie und drehte sich einmal um sich selbst.
    Sie hatten beide nicht die leiseste Ahnung, wo sie sich befanden. Sie gingen eine ganze Weile, ohne einen Wegweiser oder einen bekannten Straßennamen zu finden. Sie pinkelten an einer dunklen Wand, dann zogen sie weiter.
    »Wenn die Dämmerung kommt, können wir sehen, wo wir sind«, sagte Dickie fröhlich. Er sah auf die Uhr. »Nur noch ein paar Stunden.«
    »Prima.«
    »Es lohnt sich, ein nettes Mädchen nach Haus zu bringen, was?« fragte Dickie, der leicht taumelte.
    »Aber natürlich lohnt sich´s. Ich hab´ Mädchen gern«, beteuerte Tom. »Aber es ist doch ganz gut, daß Marge heute nicht da ist. Nie hätten wir dieses Mädchen nach Haus bringen können, wenn wir Marge bei uns hätten.«
    »Ach, ich weiß nicht«, sagte Dickie nachdenklich und blickte hinunter auf seine schlenkernden Füße. »Marge ist nicht . . .«
    »Ich meine nur, wenn Marge hier wäre, müßten wir uns jetzt um ein Hotel kümmern für die Nacht. Ach, wahrscheinlich säßen wir jetzt schon drin in dem verdammten Hotel. Wahrscheinlich würden wir halb Rom überhaupt nicht sehen!«
    »Das stimmt!« Dickie schlang einen Arm um Toms Schulter.
    Heftig rüttelte Dickie an seiner Schulter. Tom versuchte, sich der Umklammerung zu entziehen und Dickies Hand zu packen. »Dickieee!« Tom öffnete die Augen und blickte direkt in das Gesicht eines Polizisten.
    Tom setzte sich auf. Er war in einem Park. Es dämmerte. Dickie saß neben ihm im Gras und sprach gelassen italienisch auf den Polizisten ein. Tom tastete nach der rechteckigen Beule, seinen Reiseschecks. Sie waren noch da.
    »Passaporti!« blaffte der Polizist sie wieder an, und noch einmal setzte Dickie zu einer sanften Erklärung an.
    Tom wußte genau, was Dickie sagte. Er sagte, daß sie Amerikaner seien und ihre Pässe nicht bei sich hätten, weil sie nur zu einem kleinen Spaziergang hinausgegangen wären, um die Sterne zu betrachten. Lachen stieg in Tom auf. Er erhob sich unsicher und klopfte den Schmutz von seinen Kleidern. Auch Dickie war aufgestanden, und sie setzten sich in Bewegung, obwohl der Polizist sie immer noch anbellte. Dickie wandte sich zurück und sagte noch etwas, höflich und erklärend. Wenigstens kam der Polizist ihnen nicht nach.
    »Wir sehen hübsch verbeult aus«, sagte Dickie.
    Tom nickte. Seine Hose hatte über dem Knie einen langen Riß, wahrscheinlich war er hingefallen. Ihre Anzüge waren zerknittert, voller Grasflecke und verdreckt von Staub und Schweiß. Jetzt allerdings bibberten sie vor Kälte. Sie betraten das erstbeste Café am Wege und nahmen Milchkaffee und süße Brötchen zu sich, anschließend italienische Schnäpse, die fürchterlich schmeckten, aber wärmten. Dann fingen sie an zu lachen. Sie waren immer noch betrunken.
    Um elf Uhr befanden sie sich bereits wieder in Neapel, gerade rechtzeitig für den Autobus nach Mongibello. Ein wundervoller Gedanke, wieder nach Rom zu fahren, in respektabler Kleidung, und all die Museen zu besichtigen, die sie verpaßt hatten -

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