Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Backenknochen, seine Augenbrauen, wenn er sie richtig hinschob . . .
»Was machst du denn da?«
Tom fuhr herum. Dickie stand in der Tür. Er muß gerade unten am Tor gewesen sein, als ich hinausgeguckt habe, ging es Tom durch den Kopf. »Oh - ich vertreibe mir nur ein bißchen die Zeit«, sagte Tom mit tiefer Stimme, er hatte immer eine tiefe Stimme, wenn er in Verlegenheit war. »Entschuldige, Dickie.«
Dickie öffnete den Mund einen kleinen Spalt, dann schloß er ihn wieder, so als wäre sein Ärger zu groß, um sich in Worte fassen zu lassen. Tom schien das nicht weniger schlimm, als wenn Dickie losgelegt hätte. Dickie kam ganz ins Zimmer.
»Dickie, es tut mir leid, wenn ich . . .«
Der Knall der zuschlagenden Tür schnitt ihm das Wort ab. Dickie begann finsteren Blickes sein Hemd aufzuknöpfen, er tat es, als wäre Tom gar nicht vorhanden, denn dies war sein Zimmer, was hatte Tom hier verloren? Tom stand da, wie versteinert vor Angst.
»Ich hoffe, du bist bald ´raus aus meinen Sachen«, sagte Dickie.
Tom begann sich auszuziehen, seine Finger waren ganz steif, so gedemütigt fühlte er sich, so einen Schock hatte es ihm versetzt, denn bis jetzt hatte Dickie immer zu ihm gesagt, zieh dies an, zieh das an, Sachen, die ihm gehörten. Nie wieder würde Dickie es sagen.
Dickie sah Toms Füße. »Schuhe auch? Bist du verrückt?«
»Nein.« Tom versuchte, sich zusammenzureißen, während er den Anzug aufhängte, dann fragte er: »Hast du es hingekriegt mit Marge?«
»Mit Marge und mir ist alles in Ordnung.« Dickie raunzte es auf eine Art, die Tom aus ihrem Kreise ausschloß. »Noch eines möchte ich dir sagen, und zwar in aller Deutlichkeit«, sagte er und sah Tom an, »ich bin nicht andersrum. Ich habe keine Ahnung, welche Vorstellungen du dir da machst.«
»Andersrum?« Tom lächelte schwach. »Nie im Leben habe ich das angenommen.«
Dickie wollte noch etwas sagen, aber er ließ es. Er reckte sich, an seiner dunkelbraunen Brust traten die Rippen hervor. - »Nun, Marge meint, du wärest es.«
»Wieso denn?« Tom fühlte, wie alles Blut aus seinem Gesicht wich. Kraftlos schüttelte er Dickies zweiten Schuh vom Fuß und stellte das Paar in den Schrank. »Wie kommt sie darauf? Was habe, ich denn getan?« Er war einer Ohnmacht nahe. Kein Mensch hatte es ihm je ins Gesicht gesagt. So nicht.
»Es ist einfach die Art, wie du dich benimmst«, sagte Dickie knurrend und ging hinaus.
Hastig fuhr Tom wieder in seine Shorts. Er hatte sich vor Dickie halb hinter der Schranktür versteckt, obwohl er noch die Unterwäsche anhatte. Einfach weil Dickie ihn gern hatte, ließ Marge ihre schmutzigen Beschuldigungen vom Stapel, dachte Tom. Und Dickie hatte nicht den Mumm, aufzustehen und ihr zu widersprechen! Tom ging nach unten und fand Dickie bei den Getränken auf der Terrasse, einen Drink bereitend. »Dickie, diese Geschichte möchte ich in Ordnung bringen«, fing er an. »Ich bin ebenfalls nicht andersrum, und ich wünsche nicht, daß irgend jemand annimmt, ich wäre es.«
»Schon gut«, knurrte Dickie.
Sein Tonfall erinnerte Tom an die Antworten, die Dickie gegeben hatte, wenn er ihn nach diesem und jenem Mann in New York fragte. Einige der Leute, nach denen er Dickie gefragt hatte, waren andersrum, das stimmte, und Tom hatte schon ein paarmal den Verdacht gehabt, Dickie bestreite absichtlich, diese Leute zu kennen. Na schön! Wer machte denn überhaupt solches Aufheben davon? Dickie doch! Tom stand unschlüssig da, in seinem Schädel wirbelten tausend Dinge herum, die er jetzt vorbringen könnte, Erbittertes, Verbindliches, Dankbares, Feindseliges. Seine Gedanken wanderten zurück zu gewissen Leuten, die er in New York gekannt hatte, die er gekannt und schließlich fallenlassen hatte, alle hatte er fallenlassen, aber jetzt bedauerte er, sie überhaupt je gekannt zu haben. Sie hatten ihn akzeptiert, weil er sie amüsierte, aber er hat nie etwas mit ihnen zu tun gehabt, mit keinem von ihnen! Als einige ihm einen Antrag machten, hatte er ihnen einen Korb gegeben - wenn er sich auch bemüht hatte, er erinnerte sich genau, es wiedergutzumachen, indem er ihnen Eis für ihre Drinks holte, sie im Taxi nach Hause brachte, auch wenn es einen Umweg für ihn bedeutete, und so weiter, weil er Angst davor gehabt hatte, daß sie ihn nicht mehr gern hätten. Was für ein Esel war er doch gewesen! Und er erinnerte sich auch an den demütigenden Augenblick, da Vic Simmons sagte: Du lieber Himmel, Tommie, halt doch den Mund!, nachdem
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