Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
mühelosen Mittels, um sich ihre Freundschaft zu erhalten. Was Tom anwiderte, das war die dicke Wölbung ihres Hinterns in dem Bauernrock unter Dickies Arm, der die Taille umschloß. Und Dickie -! Das hatte Tom bei Dickie wirklich nicht für möglich gehalten.
Tom wandte sich ab und sprang die Treppen hinunter, er hätte am liebsten laut geschrien. Er knallte das Tor zu. Er rannte den ganzen Weg hinauf bis nach Hause und kam japsend dort an, er stützte sich keuchend auf das Geländer, als er Dickies Tor hinter sich hatte. Er setzte sich für ein paar Augenblicke auf die Couch in Dickies Studio, in dumpfer Betäubung. Dieser Kuß . . . es hatte nicht danach ausgesehen, als wäre es der erste Kuß gewesen. Er trat an Dickies Staffelei, unbewußt vermied sein Blick das schlechte Bild, das darauf stand, er griff sich den abgenutzten Radiergummi, der auf der Palette lag, und schleuderte ihn aus dem Fenster, in weitem Bogen sah er ihn fallen und zum Meer hin verschwinden. Er riß noch mehr Radiergummis von Dickies Tisch, Haarpinsel, Spachteln, Kohlestifte und Farbreste, eins nach dem anderen schmiß er in die Zimmerecken oder aus dem Fenster. Er hatte das eigenartige Gefühl, daß sein Kopf ruhig und vernünftig dachte, während sein Körper tat, was er wollte. Er rannte auf die Terrasse hinaus in dem dumpfen Verlangen, auf die Brüstung zu springen und einen Tanz aufzuführen oder einen Kopfstand zu machen, aber der leere Raum auf der anderen Seite der Brüstung rief ihn zur Besinnung.
Er ging in Dickies Zimmer hinauf und raste einige Minuten im Kreise herum, die Hände in den Taschen. Er fragte sich, wann Dickie wohl wiederkommen würde. Oder ob er dort blieb und einen Nachmittag daraus machte, wirklich mit ihr schlafen ging? Er riß Dickies Schranktür auf und guckte hinein. Da hing ein frischgebügelter, neu aussehender grauer Flanellanzug, den er noch nie an Dickie gesehen hatte. Tom nahm ihn heraus. Er zog seine knielangen Hosen aus und zog die graue Flanellhose an. Er zog ein Paar von Dickies Schuhen an. Dann öffnete er die unterste Schublade und nahm sich ein sauberes, blau-weiß gestreiftes Hemd.
Er wählte eine dunkelblaue Seidenkrawatte und band sie mit Sorgfalt. Der Anzug paßte. Er kämmte sich das Haar und zog den Scheitel etwas mehr seitlich, so wie Dickie seinen Scheitel trug. »Marge, du mußt wissen, daß ich dich nicht liebe«, sagte Tom zum Spiegel mit Dickies Stimme, mit Dickies höherem Ton bei den betonten Worten, mit dem kleinen Grollen hinten in der Kehle am Ende eines Satzes, das freundlich oder unfreundlich, vertraulich oder kühl sein konnte, je nach Dickies Stimmung. »Marge, laß das!« Tom drehte sich plötzlich um und griff in die Luft, als packte er Marges Kehle. Er schüttelte sie, drehte sie, während sie tiefer und tiefer sank, bis er sie schließlich schlaff zu Boden gleiten ließ. Er keuchte. Er wischte sich die Stirn, so wie Dickie es machte, langte nach dem Taschentuch und holte sich, als er es nicht fand, ein Taschentuch aus Dickies oberstem Schubfach. Dann nahm er seinen Platz vor dem Spiegel wieder ein. Sogar sein offener Mund sah aus wie Dickies Mund, wenn Dickie außer Atem war vom Schwimmen, er ließ ein bißchen von den unteren Zähnen sehen. »Du weißt, warum ich das tun mußte«, sagte er, immer noch atemlos, und er sprach zu Marge, obwohl er sich selber im Spiegel ansah, »- du hast dich zwischen Tom und mich gedrängt. - Nein, nicht das! Aber es gibt ein Band zwischen uns!«
Er wandte sich um, stieg über die imaginäre Leiche hinweg und schlich zum Fenster. Dort unten, wo die Straße einen Bogen machte, konnte er die gefleckte Schräge der Treppe erkennen, die bis zur Höhe von Marges Haus hinauflief. Dickie war nicht auf der Treppe und nicht auf der Straße, soweit Tom sie überblicken konnte. Vielleicht schliefen sie jetzt zusammen, dachte Tom, noch stärker krampfte ihm der Ekel die Kehle zusammen. Er stellte es sich vor - scheußlich, plump, unbefriedigend für Dickie, und für Marge ein Genuß. Sie würde es sogar genießen, wenn er sie quälte! Tom sauste hinüber zum Schrank und nahm einen Hut vom Hutboden. Es war ein kleiner grauer Tirolerhut mit einer grünweißen Feder an der Krempe. Er setzte ihn verwegen auf ein Ohr. Erstaunlich, wie er Dickie glich, wenn sein Kopf oben bedeckt war. Eigentlich war es nur sein dunkleres Haar, das ihn sehr von Dickie unterschied. Aber sonst - seine Nase, jedenfalls ihre Form so ganz allgemein, seine schmalen
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