Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
auf und nieder zu wippen, und dann warf er sich mit aller Kraft nach vorn und lag mit dem Gesicht nach unten im Boot, seine Füße baumelten über Bord. So blieb er liegen, schwach kam ihm zum Bewußtsein, daß das Schlüpfrige unter seinen Händen Dickies Blut war, eine Nässe, gemischt aus Dickies Blut und dem Wasser, das ihm selber aus Mund und Nase rann. Seine Gedanken begannen zu arbeiten, noch ehe er ein Glied zu rühren vermochte, er dachte nach über das Boot, das ganz blutig war und nicht zurückgebracht werden konnte, über den Motor, den er gleich, wenn er aufstünde, in Gang bringen mußte, über die einzuschlagende Richtung.
Über Dickies Ringe. Er tastete nach ihnen in seiner Jackentasche. Sie waren noch da, was sollte schließlich auch mit ihnen passiert sein? Ein Hustenanfall schüttelte ihn, und Tränen trübten seinen Blick, als er in die Runde schauen wollte, um zu sehen, ob irgendwo ein Boot in der Nähe war oder sich näherte. Er rieb sich die Augen. Kein einziges Boot, nur das lustige kleine Motorboot in der Ferne, das immer noch in weitgeschwungenen Bögen herumsauste und ihn völlig ignorierte. Tom besah sich den Boden des Bootes. Konnte er es ganz auswaschen? Aber Blut war so verteufelt schwer zu beseitigen, hatte er immer gehört. Eigentlich hatte er das Boot wieder abliefern wollen, er hatte dem Bootsverleiher, falls der nach seinem Freund fragen sollte, erzählen wollen, daß er Dickie irgendwo an Land gesetzt hätte. Das ging nun nicht.
Vorsichtig zog Tom an dem Hebel. Der Motor heulte auf, und sogar davor hatte Tom Angst, aber immerhin schien der Motor doch menschlicher und fügsamer zu sein als das Meer und also auch weniger furchtbar. Er raste in weitem Bogen der Küste zu, der Küste nördlich von San Remo. Konnte ja sein, daß er einen Platz fand, irgendeine kleine, verlassene Bucht an der Küste, wo er das Boot an Land ziehen und aussteigen konnte. Aber wenn sie nun das Boot fanden? Riesengroß stand das Problem vor ihm. Er gab sich Mühe, kühl und nüchtern zu überlegen. Aber es kam ihm kein Einfall, wie er das Boot loswerden sollte.
Jetzt konnte er Pinien erkennen, ein Stück trockenen, verlassen aussehenden braunen Strandes und den grünen Flaum eines Olivenhains. Tom kreuzte langsam vor der Stelle hin und her und hielt nach Menschen Ausschau. Es waren keine da. Schnell fuhr er hinein in die Bucht, an den flachen, kurzen Strand, er bediente den Gashebel mit Respekt, denn so ganz sicher war er nie, daß der Motor nicht plötzlich wieder losbrüllen würde. Dann spürte er das Scharren und Holpern der Erde unter dem Bug. Er drehte den Hebel auf »Ferma« und legte noch einen Hebel um, der den Motor abstellte. Vorsichtig stieg er aus, das Wasser reichte ihm bis zur halben Wade, er zog das Boot so weit hinauf auf den Strand, wie er konnte, dann trug er die beiden Jacken, seine Sandalen und Marges Kölnisch Wasser aus dem Boot zum Strand hinauf. Die kleine Bucht, in der er sich befand - sie war keine fünfhundert Meter breit -, gab ihm das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Nichts deutete darauf hin, daß je ein Menschenfuß diesen Sand betreten hatte. Tom beschloß, das Boot nach Möglichkeit zu versenken.
Er machte sich daran, Steine herbeizuschleppen, lauter Steine von der Größe seines Kopfes, denn größere konnte er nicht tragen, soviel Kraft hatte er nicht mehr, und er ließ einen nach dem anderen in das Boot plumpsen, aber er mußte bald kleinere Steine nehmen, weil es im näheren Umkreis keine großen mehr gab. Er arbeitete pausenlos, er fürchtete, vor Erschöpfung umzusinken, wenn er sich auch nur einen Augenblick Ruhe gönnte, und vielleicht würde er dann daliegen, bis ihn irgend jemand fände. Als das Boot beinahe bis zum Rand mit Steinen gefüllt war, schob er es hinaus und schaukelte es hin und her, bis das Wasser an den Seiten hineinschwappte. Als das Boot zu sinken anfing, gab er ihm einen Schubs ins tiefere Wasser, er schubste und lief hinterher, bis ihm das Wasser an der Taille stand, bis das Boot endgültig versunken und aus seiner Reichweite geraten war. Dann pflügte er sich durch das Wässer zurück zum Strand und legte sich ein Weilchen hin, das Gesicht auf dem Sand. Er schmiedete Pläne für seine Rückkehr ins Hotel, seine Geschichte, seine nächsten Schritte: Abreise aus San Remo noch vor Einbruch der Dunkelheit, Rückkehr nach Mongibello. Und die Geschichte für Mongibello.
13
Bei Sonnenuntergang, genau zu der Stunde, da die Italiener und
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