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Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes

Titel: Tom Thorne 03 - Die Blumen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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stattfand, und versuchte vergebens, sich zu erinnern, welcher Song eigentlich diese furchtbar vertraute Basssequenz hatte. Versuchte vergebens, nicht mehr an die seit Jahren Toten zu denken und an den Toten, der noch nicht beerdigt war, und an das Foto, das er Dennis Bethell gegeben hatte …
    Dann rief er seinen Vater an.
    Nachdem er das Gespräch zwanzig frustrierende Minuten später beendet hatte, stand Thorne da, das Telefon in der Hand, und versuchte, sich die Fehlzündungen der Synapsen in dem Gehirn seines Vaters vorzustellen, Gedanken, die in einem Funkenschauer explodierten …
    Die Farbkaskade verdunkelte sich, verwandelte sich in eine schwarze Kapuze über dem Kopf einer nackten Frau, verbarg das Entsetzen auf dem Gesicht einer bleichen, erstarrenden Leiche. Aus der das Leben herausgepresst worden war, die mit nacktem Hintern auf einem Bett lag, ein Rinnsal braunen Bluts auf dem rostigen Lattenrost.
    Thorne zog die paar Klamotten aus, die er noch trug, lief ins Schlafzimmer und ließ sich auf die Matratze fallen. Blieb liegen im Halbdunkel und starrte auf den Umriss des Lampenschirms, für den er bei IKEA ein Pfund bezahlt hatte. Ihm wurde klar, dass dieser so billig war, weil er so scheußlich war.
    Das Bett fühlte sich an, als wäre es mit Kies gefüllt. Ein merkwürdiges Kitzeln, ein unangenehmes Krabbeln auf seinem Körper. Scharfe, dürre Beinchen, die sich ihren Weg über seine schweißglänzende Brust suchten.
    Thorne schloss die Augen und erinnerte sich an einen Augenblick ruhiger Zufriedenheit auf einem farnbedeckten Hügel.
    Er war sich nur nicht ganz sicher, ob es sich wirklich um eine Erinnerung handelte. Ob es sich je so zugetragen hatte. Vielleicht war es nur die Erinnerung an einen Traum, einen Tagtraum. Es konnte auch eine Szene aus einem längst vergessenen Film sein oder einer Fernsehsendung, die er einmal gesehen und in die er sich hineinversetzt hatte …
    Woher dieses Bild auch stammte, er war nicht allein. Da waren noch zwei bei ihm auf diesem Hügel inmitten des Farns. Ein Mann und eine Frau oder vielleicht ein Mädchen und ein Junge. Ihr Alter war ebenso unklar wie ihre Beziehung zueinander oder zu ihm. Doch sie waren alle drei glücklich. Wo sie sich befanden, schien nicht wirklich wichtig zu sein. Die Topografie des Ortes änderte sich. Manchmal war er sich sicher, unter ihnen fließe ein Fluss. Ein andermal war es eine Straße, und das Summen der Insekten verwandelte sich in fernes Verkehrsrauschen.
    Die einzigen Konstanten waren der Farn und das Paar, das ein paar Meter entfernt von ihm lag, die Erde unter und der Himmel über ihnen …
    Dieses Gefühl, als hätten sie gerade gegessen, vielleicht gepicknickt. Ein sattes Gefühl, als er so dalag, die Arme weit ausgebreitet, und, eine Hand breit über dem Boden, langsam und faul durch den Farn strich. Ein Lächeln lag auf seinem Gesicht, und sein Magen bebte noch nach von einem Lachanfall. Warum sie sich so ausgeschüttet hatten vor Lachen, blieb ihm verborgen. Nur eines war sicher: das herrliche, fremdartige Gefühl, das er jedes Mal empfand, wenn er sich daran erinnerte. Wenn er es sich vorstellte. Wenn er auf jenem Hügel lag.
    So schwer fassbar die Realität dieser Szene auf dem Hügel sein mochte, die – was Umstände und Personen anging – verschwommen bis zur Unwirklichkeit war, sie erschien ihm in Augenblicken wie diesem, in denen er knöcheltief in Wahnsinn und blutigem Gemetzel watete, ein wunderbarer Ort zu sein.
    Als draußen die ersten dicken Regentropfen fielen, ließ er den Kopf wieder ins Kissen sinken und stellte sich Farnwedel vor, die ihn im Nacken streichelten.
    Die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos wanderten über das Fenster, doch Thorne spürte nur die Sonne auf seinem Gesicht.

12. Juni 1976
    Mit leerem Gesicht liefen sie durch das Einkaufszentrum, berührten einander fast, jeder eine Tüte in der Hand. Ein Paar beim Einkaufsbummel. Niemand, der sie sah, hätte es auch nur ahnen können.
    D ie unendliche Leere zwischen ihnen.
    Der Schmerz, der sich darin breit machte.
    Wie wenig Zeit ihnen blieb …
    In den Läden fassten sie Dinge an, nahmen sie in die Hand, um sie näher zu betrachten. Zwischendurch fiel eine banale Bemerkung, wie sie sie auch vor sechs Monaten hätten machen können. »Das könnte in die Küche passen.« »Glaubst du, das macht sich gut im Schlafzimmer?« »Die Farbe steht dir wirklich.«
    Sie betraten ein Geschäft, das hässlichen Dekorationskram verkaufte, nutzlosen

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