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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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überteuerte T-Shirts an den Mann zu bringen versuchten.
    Er erinnerte sich noch daran, als tatsächlich die ganze Welt nach London blickte. Ein- oder zweimal in dieser Zeit, er musste sechs, sieben Jahre alt gewesen sein, nahmen ihn seine Eltern mit in die Stadt zum Einkaufen. Und obwohl sie die Carnaby Street und dergleichen eher mieden und direkt in die großen Kaufhäuser gingen, konnte Thorne sich noch immer daran erinnern, junge Frauen in langen, fließenden Roben und Männer in schmucken Uniformjacken gesehen zu haben. Vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Das Gedächtnis neigte zu solchen Tricks, das wusste er. Vielleicht füllte er nur seine Lücken mit Bildern von Terence Stamp und Julie Christie …
    Wie auch immer, zumindest hatte er London in den »Swinging Sixties« erlebt. Daher war Thorne der ganzen »Cool Britannia«-Bewegung vor ein paar Jahren mit einem gewissen Grad an Zynismus begegnet. Ob Jacke, Auto oder Albumcover – überall prangte der Union Jack. Und was als Trend begonnen hatte, war rasch kaum mehr als eine Marketingkampagne, die sich jeder von Marks & Spencer bis zu New Labour zunutze machte. Dennoch musste Thorne zugeben, dass die Bands zumindest wieder die Gitarre entdeckt hatten, dass die Touristenzahlen nach oben geschnellt waren und dass dies bei einer Menge Kids in Spikes und Carolines Alter einen kreativen Schub auslöste.
    Es blieb abzuwarten, ob die Touristen weiterhin so ins West End strömten. Unter der Schlagzeile »Das letzte Opfer« dominierte ein Foto eines jünger und gesünder aussehenden Terry Turner die Titelseite des aktuellen Standard. Nun war sie endgültig draußen, die Nachricht, dass das Theater zum Jagdgebiet geworden war.
    Ob der Mörder die Zeitung gelesen hatte? Ob er bereits wusste, dass er den Falschen umgebracht hatte?
    Bevor er sich für die Nacht einrichtete, war er noch am Marble Arch gewesen und hinunter in die U-Bahn gegangen, um nach Spike oder Caroline zu suchen. Ollie hatte sich so wie neulich verhalten, war ihm eher noch misstrauischer und feindseliger begegnet als beim ersten Mal.
    »Ich such nach meinen Kumpeln«, hatte Thorne gesagt. Er hatte auf den Tunnel gedeutet, wo er vor ein paar Nächten neben Spike und Caroline geschlafen hatte.
    Der Alte hatte von seinem Buch aufgeblickt und die Augen zusammengekniffen. »Such woanders …«
    Nicht dass Thorne erwartet hätte, sie hier zu finden. Ihm war durchaus klar, dass Spike und Caroline ihren ganz eigenen Rhythmus hatten, er wusste ja, was sie aufwachen und was sie einschlafen ließ.
    Thorne richtete sich in seinem Eingang auf und zog den Arm aus dem Schlafsack. Er schaute hinüber zu den beleuchteten Schaufenstern auf der anderen Straßenseite und lauschte auf die Tanzmusik, die aus einer der oberen Wohnungen drang.
    Wieder dachte er über die undichte Stelle nach. McCabe konnte er nicht ausschließen, was immer Brigstocke davon hielt. Wer wusste noch, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte? Dass die Information von jemandem kam, der ihm näher stand, war unvorstellbar. Aber Thorne ließ es keine Ruhe, er spürte, dass er die Antwort bereits wissen musste. Es konnte nicht zu schwierig sein, den Schuldigen zu finden. Im Grunde war es ein Puzzle mit zwei Teilen. Natürlich kannten eine ganze Reihe von Obdachlosen seinen Schlafplatz. Aber ihnen fehlte das zweite Puzzleteil. Keiner von ihnen ahnte, dass er ein verdeckt ermittelnder Polizeibeamter war. Zumindest nahm er das an. Gewissheiten jeglicher Art waren ein Luxus, den er wie jeden anderen Luxus aufgegeben hatte, als er sich für das Leben auf der Straße entschied.
    »Möchten Sie genau wissen, wie viele dieser Tritte bereits ausgereicht hätten, um Terry Turner umzubringen? Wie viele Knochen gebrochen waren …?«
    Vorher, bei Brigstocke, hatte er es heruntergespielt. Was blieb ihm anderes übrig? Aber jetzt war es zwecklos, zu leugnen, dass das, was in seinem Bauch tobte und ihm den Atem raubte, nichts anderes war als Angst. Er hatte sie zuerst im U-Bahn-Tiefgeschoss gespürt, als er von Terrys Tod erfahren hatte. Und nun saß sie fest. Sie war schnell heimisch geworden, hatte sich gierig in ihm festgekrallt …
    In letzter Zeit hatte Thorne öfters Angst gehabt. Während der letzten Wochen und Monate war da diese seltsame Furcht gewesen, die er nicht festmachen konnte, und daneben eine verwirrende, irrationale Angst vor ganz bestimmten Dingen. Menschenmassen machten ihn plötzlich nervös. Aufzüge ebenfalls, und er litt unter

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