Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
hättest, wenn sie Paddy etwas früher in die Hände bekommen hätten, dann würde er jetzt vielleicht nicht an diesen Maschinen hängen. Ich bin kein Arzt oder so, aber die Möglichkeit besteht.«
»Nein …«
»Nein, wahrscheinlich hast du Recht. Es sieht aus, als wäre er bereits hirntot gewesen, als du seine Taschen durchkämmt hast. Aber das konntest du ja nicht wissen, oder? Du hast dir nur gedacht, er wär … was eigentlich? Nur ein bisschen schwer verletzt? Sein Zustand war ernst, aber nicht kritisch? Du hast dir genommen, was dir in den Kram gepasst hat, und hättest ihn dort verrecken lassen. Denn im Grunde genommen war es dir scheißegal. So einfach ist das.«
Das Geräusch eines Dieselmotors wurde deutlich lauter, als ein schwarzes Taxi langsam am Ende der Straße vorbeifuhr und anhielt. Thorne hörte, wie eine Tür zugeschlagen wurde und ein paar Sätze gewechselt wurden, bevor das Taxi wieder losfuhr.
»Lass mich in Ruhe«, sagte Moony.
»Das mach ich schon, aber vielleicht tu ich dir davor noch weh?«
»Bitte …«
»Und wenn ich dich verletzt zurücklasse? Keine Ahnung, wie ich das genau mache, Hauptsache, dein Zustand ist ernst, aber nicht kritisch.« Thorne beobachtete, wie Moonys Augenlider flatterten. Plötzlich stieg ihm der scharfe Geruch von Urin in die Nase. »Wenn ich das mach und dich dann hier zurücklasse, glaubst du, dass dir dann jemand hilft? Was glaubst du?« Thorne beugte sich über Moonys Gesicht. »Oder wär das auch allen scheißegal?«
Penner, die ein supermodernes Handy benutzen, sind ein eher seltener Anblick, weshalb Thorne stets nach verborgenen Winkeln Ausschau hielt, um sich mit Holland kurzzuschließen. Heute Abend war die Luft rein, und außerdem war das Handy so klein, dass er es problemlos in der Hand verbergen konnte. So saß er also in seinem Theatereingang und hielt es sich dicht ans Ohr. Wahrscheinlich wirkte er kein bisschen merkwürdiger als Radio Bob, wenn er in sein unsichtbares Mikro plapperte …
»Dann wurde Hayes also definitiv von demselben Täter umgebracht«, sagte Holland. »Wenn er diesen Geldschein bei sich hatte.«
Thorne nahm einen Schluck Bier. »Sieht so aus.«
»Das sieht nicht nur so aus, denk ich.«
»Wie auch immer …«
»Wir haben zwei Morde, drei, wenn man Paddy Hayes mitzählt, und ich glaube …«
»Ich sag ja nichts.«
»Sie glauben aber immer noch nicht an einen Serienmörder?«
»Raymond Mannion hatte richtig Angst. Dafür hab ich Zeugen.«
»Natürlich hatte er Angst …«
»Nicht so, wie Sie meinen, weil sich ein Mörder herumtrieb. Er hatte vor jemand Bestimmtem Angst. Ich glaube, er wurde umgebracht, weil er etwas wusste oder gesehen hatte.«
»Klingt etwas weit hergeholt.«
»Das hieße, dass dem ersten Opfer eine größere Bedeutung zukommt. Findest du nicht?«
»Vielleicht …«
»Komm schon, Dave. Während alle nach den üblichen perversen Serienmördermotiven Ausschau halten, sollte man vielleicht in Erwägung ziehen, ob da nicht etwas ganz anderes dahinter steckt.«
»Das ist nun mal so. Jeder sucht nach den perversen Serienmördermotiven. Momentan geht unsere Ermittlung hauptsächlich in diese Richtung.«
»Genau.«
»Muss sie ja auch, solange wir nichts anderes haben, oder?«
»Was hat Brigstockes Profiler herausgefunden?«
»Bisher nicht viel.«
»Was? Nicht mal den üblichen Scheiß von wegen »weiß, männlich, war als Kind ein Brandstifter und quälte kleine Pelztiere«?«
»Was sollen wir jetzt mit Moony machen?«
»Kassiert ihn.«
»Wegen was?«
»Ist mir egal. Weil er ein widerlicher Arsch ist. Lasst euch was einfallen …«
»Wir können ihn schlecht wegen Diebstahls hochnehmen, wenn wir nur das haben, was er Ihnen erzählt hat. Es gibt keinen handfesten Beweis. Wie haben Sie ihn eigentlich dazu gebracht, Ihnen die Sache zu erzählen? Oder will ich das gar nicht wissen?«
»Es kann nun mal sein, dass Moony nüchtern wird und anfängt, unangenehme Fragen zu stellen. Also holt ihn von der Straße. Versorgt ihn mit einer hübschen, warmen Zelle und einer Flasche Strongbow, und er macht keine Schwierigkeiten.«
»Okay …«
Sie quatschten noch ein paar Minuten, aber Thorne ging die ganze Zeit nicht aus dem Kopf, was Holland gesagt hat te. Die Frage, die er halb scherzend gestellt hatte.
Oder will ich das gar nicht wissen …?
Als der letzte große Fall, an dem Thorne vor seiner Pause arbeitete, kurz vor der Aufklärung stand, war Thorne an Dingen beteiligt, hatte er Dinge getan,
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