Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
an ihren Körpern.
Die vier Männer mit den Schutzbrillen und Helmen sitzen oder kauern mittlerweile ebenfalls am Boden. Alle haben ihr Gewehr noch bei sich, aber locker in der Hand oder über dem Knie liegen. So entspannt sie aus der Entfernung auch wirken, sie lassen das Quartett ihnen gegenüber nie aus den Augen und scheinen nervös zu sein. Jemand hat seine in schweren Stiefeln steckenden Beine ausgestreckt und dabei kleine Gräben im Sand hinterlassen. Auch die Kauernden entlasten zwischendurch die Beine, indem sie sich mit gestreckten Armen am Boden abstützen.
Unvermittelt zieht einer der Männer sein Shamag nach unten und spuckt aus. Ein dicker Batzen bleibt an seinem Kinn hängen. Er wischt ihn weg, bevor er das Tuch wieder zurechtrückt. Er schiebt sich zur Mitte, und die anderen tun es ihm nach. Sie stecken die Köpfe zusammen und beratschlagen.
Offenbar hat jeder etwas zur Diskussion beizutragen, und obwohl der Wortwechsel anfangs erregt ist, beruhigt er sich schnell, die Stimmen werden leiser. Was gesagt wird, ist kaum noch zu verstehen, aber es wird ernster und mit mehr Nachdruck vorgebracht. Inzwischen sitzen die Männer so nahe beisammen, dass sie sich berühren. Es beginnt mit einem Schlag, der sich anhört, als sei ein Knochen gebrochen, und einer Stimme, die nicht mehr ist als ein leises Knurren. Das Flehen weicht Drohungen. Dann Versprechungen. Ein Mann flucht, schubst den neben ihm, um ihn schließlich herzlich zu umarmen. Kopfschütteln ist zu sehen und langsames Nicken, und am Schluss hat jeder die Jacke oder einen Arm seines Nebenmannes um die Schulter, und die Köpfe sind so tief gesenkt, dass die Helme aneinander schlagen. Sie sehen aus wie Footballspieler im Kreis, die sich verzweifelt bemühen, ihre Angst und Aggression zu bündeln, um sie richtig einsetzen zu können. Um sich für einen letzten großen Angriff zu motivieren.
Und danach wirkt alles wie ein Spiel.
Sie rappeln sich hoch. Nach einer halben Minute entfernt sich einer von ihnen – ob freiwillig oder nicht – ein paar Schritte von der Gruppe. Er untersucht sein Gewehr. In dem Raum, der sich zwischen ihnen auftut, erscheint ein heller Fleck am Horizont, verblasst, je höher er steigt. Wie rote Tinte auf Löschpapier.
Die anderen sehen zu, wie er rasch zu den vier Männern auf dem Boden hinübergeht, zwei jedoch wenden sich im letzten Moment ab. Sie wirken wie Spieler im Anstoßkreis, die die Spannung vor dem Elfmeterschießen nicht ertragen und sich mit gesenktem Kopf abwenden. Angst davor haben, hinzusehen.
Die Männer auf dem Boden fangen an, sich zu bewegen, schnell. Sie versuchen auf die Beine zu kommen. Vergeblich. Sie fallen auf den Rücken oder das Gesicht und versuchen, einander zu berühren. Ihre Augen treten wieder hervor, geweitet und durchzogen von geplatzten roten Äderchen.
Die Zeit verstreicht, wenn auch nicht mehr als eine halbe Minute, und der Mann kehrt zurück zu seiner Gruppe.
Natürlich kann man unmöglich wissen, was sie denken. Jene, die stehen und darauf warten, dass die Reihe an ihnen ist. Und der Mann, der langsam zurückmarschiert. Durch Schutzbrille und Shamag wirken alle leer und roboterhaft, und es ist gut vorstellbar, dass ihr Blick darunter genauso ausdruckslos ist.
Er gesellt sich zu seinen Freunden im Anstoßkreis.
Die drei Männer schreien und weinen, es ist unklar, ob er einen Treffer gelandet hat.
Fünfzehntes Kapitel
Das Media Operations Office of British Army HQ (London District) war in einem Gebäude hinter der Horse Guards Parade untergebracht. Früher war es eine Kaserne für hunderte von Männern gewesen, aber heute erfüllten die Pferde, die hier in den Ställen standen, und die Soldaten, die in ihren Paradeuniformen über die Höfe marschierten, größtenteils zeremonielle Pflichten.
Auf ihrem Weg zum Empfang mussten Kitson und Holland an zwei Kavalleristen vorbei. In ihren feuerroten Uniformjacken und blitzblank polierten Helmen standen die beiden Männer stocksteif, ohne zu blinzeln. Holland musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, sie aus der Fassung zu bringen, so wie es diese kichernden Schulkinder und Touristen den lieben langen Tag versuchten. Im Büro, bei einer starken Tasse Tee, gestand er einem der Senior Public Information Officers seinen kindischen Spieldrang.
»Ach, die mögen es, wenn man sie so anmacht«, sagte dieser.
Der zweite SPIO pflichtete seinem Kollegen beflissen bei. »Vor allem, wenn es sich dabei um ein paar junge Mädels handelt. Sie
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