Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
etwas gesagt hätte, wären wir schneller drauf gekommen. Aber wir haben doch seither noch mal mit ihr gesprochen.«
»DC Stone hat sie angerufen und sie benachrichtigt, dass ihr Bruder tot ist.« Es war dieser Telefonanruf, der Holland Schwierigkeiten bereitet hatte, als er ihn in das Muster einzuordnen versuchte, wer was wann wusste.
»Genau. Und da hat sie garantiert darüber gesprochen. Warum zum Teufel auch nicht?«
Holland hatte keine Ahnung.
Yvonne Kitson versuchte, Ruhe zu bewahren. Es war ihr Team, und sie trug letztlich die Verantwortung. Sie hätte sich vergewissern müssen. Sie hätte es wissen müssen. Doch vielleicht hatte Susan Jago ihnen von ihrem Bruder erzählt und sie hatten diese Information einfach verschusselt. »Ist es denkbar, dass DC Stone es nach seinem Gespräch mit Susan Jago versäumt hat, die Daten im CRIS zu aktualisieren?«
Holland hielt das durchaus für denkbar. Es gab im System keinen Eintrag über dieses Gespräch. Stone hatte sich wohl gedacht, da Susan Jago für die Ermittlung nicht mehr wichtig war, könne er sich das Update schenken. Aber das reichte nicht als Erklärung: Stone hatte vor drei Tagen mit Jago gesprochen, am Samstagnachmittag; das war Stunden, bevor Thorne auf die Idee mit der Armeeverbindung gekommen war.
»Es ergibt keinen Sinn. Als DC Stone mit ihr gesprochen hat, wussten wir von der Armeesache noch nichts. Wenn sie es erwähnt hätte, wäre ihm klar gewesen, dass es wichtig ist, und er hätte uns davon berichtet.«
Sie liefen weiter die schmale Treppe hinunter und dachten beide dasselbe: Warum zum Teufel hätte Susan Jago ihnen das verschweigen sollen?
»Rufen Sie Stone an und überprüfen Sie das …«
Holland holte sein Handy hervor und wählte Stones Nummer. Es kam nur eine Stimme vom Band. »Es ist Mittagszeit. Wahrscheinlich ist er irgendwo in einem Café und hat sein Handy ausgeschaltet.« Die Lüge war ihm trotz seiner Wut locker über die Lippen gegangen. Holland wusste genau, dass Andy Stone sich die Zeit nicht mit Mittagessen vertrieb.
Sie traten in einen Innenhof und fanden sich in einer Gruppe Touristen wieder, die auf die tägliche Wachablösung wartete. Eine Reihe Life Guards in roter Montur saß hoch zu Ross einer Reihe Soldaten der Blues and Royals in dunkler Montur gegenüber.
Kitson und Holland blieben eine Weile bei den beeindruckten Touristen stehen und sahen bei der Zeremonie zu. Die Kameras klickten wie wild los, als die Soldaten von Hyde Park Corner angeritten kamen und die riesigen Viecher in Zweierpaaren unter dem Bogen zu den Horse Guards durchritten.
Holland wandte sich an Kitson. »Warum bekommen wir nie unanständige Briefchen in die Stiefel gesteckt?«
Aber Kitson war nicht zum Scherzen aufgelegt.
Es roch nach Pisse und Krankenhausfraß.
Thorne war noch nicht durch die Tür, als ihm Spikes Bemerkung über das Lift einfiel. Dass die meisten derartigen Einrichtungen vollkommen anders ausgestattet waren. Das war nett ausgedrückt.
Das Aquarius in Covent Garden war ausschließlich auf Obdachlose über fünfundzwanzig ausgerichtet, aber diese Altersgrenze hätten sie problemlos um fünfzehn Jahre höher legen können. Seit er das Zentrum betreten hatte, hatte Thorne noch niemanden getroffen, der jünger war als er. Was, wenn man sich umblickte, nicht weiter verwunderlich war. Die wenigen Leute hier waren alt – ob tatsächlich oder vorzeitig gealtert und er konnte sich keinen Fünfundzwanzig- oder Dreißigjährigen vorstellen, der sich in diesen miefigen, trübsinnigen Räumen und den Gängen mit den dunklen Ziegelwänden auch nur annähernd wohlfühlen könnte. Während das London Lift hell und gepflegt daherkam, war das Aquarius heruntergekommen. Hier hatte man nicht mal die nötigen Finanzen, um gegen den Gestank vorzugehen.
Nach einigem Suchen fand Thorne einen Raum, der offenbar als Lounge gedacht war, und setzte sich, wobei er versuchte, nicht zu tief einzuatmen.
Das Ganze erinnerte an das Wartezimmer in einer Arztpraxis. Eine fensterlose Schachtel mit einem Dutzend Stühlen, der Einfachheit halber an die abgeblätterte Wand gerückt, und mit einem Tisch in der Mitte, auf dem sich alte Journale und randvolle Aschenbecher den Platz streitig machten.
Seit er dahintergekommen war, was Jago mit dem anderen Mann verbunden haben könnte, beschäftigte Thorne der Gedanke, warum Männer, die in der Armee gedient und vielleicht für ihr Land gekämpft hatten, in das zivile Leben zurückkehrten, um dann auf der
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