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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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ließen sich die Stunden und Minuten nur an den Schritten abzählen, die von Mal zu Mal schwerer wurden. Und schwerer. Es gab Momente, in denen man das Gefühl hatte, es sei überhaupt keine Zeit vergangen. Wenn man sich vor einem vertrauten Schaufenster wiederfand oder merkte, dass man dieselbe Strecke zum wiederholten Mal ablief. Nur die Blasen und die brennenden Gelenke am Ende des Tages bewiesen, dass tatsächlich Zeit vergangen war.
    Thorne lehnte sich wieder an die Theatertür und dachte über die Jungen nach, die er auf dem Rückweg vom Tageszentrum in einer schmalen Gasse gesehen hatte. Die mageren Finger um die platt gedrückte und zurechtgebogene Coca-Cola-Dose geklammert, die als Crackpfeife diente.
    Er verstand nun, warum so viele Penner in ihrer Verzweiflung in der Droge Zuflucht gesucht hatten, nachdem sie auf der Straße gelandet waren. Ob in Flaschen oder Pfeifen – was immer es erleichterte, diese sich wie Krebs ausbreitenden Stunden zu ertragen, war ihnen willkommen.
    Er fasste hinter sich und tastete nach der Dose in seinem Rucksack. Wenigstens blieb ihm die Vorfreude auf ein Bier …
    Die Hand in seiner Manteltasche hielt noch immer das winzige Handy. Bei dem Gespräch vorhin mit Holland, als er erfuhr, dass man Susan Jago für eine Vernehmung von Stoke herunterkommen lassen wollte, hatte er ihm aufgetragen herauszufinden, ob ihr Bruder mal im Gefängnis gesessen hatte. Die Frage konnte nicht schaden.
    Der Frau könnte man noch weitaus mehr Fragen stellen, die nicht schaden könnten, so wie sich die Geschichte anhörte. Sie musste schon einen sehr guten Grund für ihre Geheimniskrämerei haben, und nun bestand die Hoffnung, diesen Grund zu erfahren. Bisher hatten sie sich mit Vermutungen und dem Zufall behelfen müssen, um weiterzukommen – wer weiß in welche Richtung. Susan Jago aber konnte ihnen den entscheidenden Schwung geben. Den Schub, mit dessen Hilfe sie auf die Spur des Mörders stoßen würden.
    Als Thorne das Handy herausholte und wählte, fragte er sich, ob Chris Jago wohl ein guter Soldat gewesen war. Und ob er wohl den Fahrer des Wagens gekannt hatte, von dem er überrollt wurde.
    Der Mann am anderen Ende der Leitung sagte langsam seine Telefonnummer, bevor er fragte, wer spreche.
    »Ich bin’s, Tom. Tut mir Leid, dass ich so spät anrufe …«
    »Keine Sorge, ist noch nicht zu spät.«
    Es war bereits Mitternacht, aber Thornes Entschuldigung war nicht mehr als eine höfliche Floskel. Wenn irgendjemand öfter nach Mitternacht mit seinem Vater telefoniert hatte als er, dann Victor. Thorne war sich ziemlich sicher, dass er noch wach war.
    »Also, was gibt’s?«, fragte Victor.
    »Eigentlich nichts Besonderes. Ich wollt nur ein bisschen quatschen …«
    Noch während er sprach, schoss es Thorne durch den Kopf, dass es in Wahrheit nichts gab, worüber zu reden sich lohnte. Zumindest nichts, was für den Fall von Bedeutung wäre.
    »Das ist schön. Es tut gut, zu reden. Wart mal einen Augenblick, ich muss das Radio leiser stellen …«
    Zwei junge Frauen stöckelten auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf High Heels vorbei. Für bauchfreie Tops war es doch definitiv zu kalt …
    »Jetzt ist es besser.«
    Falls ihm mal jemand gesagt hatte, woher Victor ursprünglich kam, hatte Thorne es vergessen, aber ein leichter Akzent war herauszuhören. Klang irgendwie osteuropäisch. Thorne fiel auf, dass er gar nicht wusste, für welche Armee Victor gekämpft hatte. Eigentlich war es eine ganze Menge, was er über den besten Freund seines Vaters nicht wusste, was er aber gerne gewusst hätte. Zum Beispiel, ob Victor eine Familie hatte. Was er vor seinem Rentnerdasein gemacht und wo er seinen Vater kennen gelernt hatte. Wie lange hatten sie einander gekannt? Und warum war er der Einzige aus dem Freundeskreis seines Dads, der nicht plötzlich ständig zu tun hatte, als sein alter Herr leicht meschugge geworden war.
    »Tom?«
    »Was?«
    »Du quatschst mir nicht gerade die Birne voll.«
    »Entschuldige. Wie geht’s dir denn so? Viel zu tun?«
    »Aber ja, immer was zu tun«, sagte Victor. »Und du? Wie läuft’s bei der Arbeit?«
    »Ach, weißt du … »
    »Als das Telefon geläutet hat, hab ich gedacht, er wär’s, weißt du? Nur kurz. Dass er wegen irgendeiner Quizfrage anruft, oder weil ihm ein Witz eingefallen ist. Oder nach einem Wort sucht, das er vergessen hat. Weißt du noch, wie er das ständig gemacht hat?«
    Thorne schloss die Augen. Er hatte kürzlich einen Film gesehen oder ein

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