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Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes

Titel: Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Straße zu landen und ihr Leben an Orten wie diesem zu fristen. Die Zahlen waren alarmierend. Einige Quellen behaupteten, einer von vier Wohnungslosen sei ein ehemaliger Soldat. Der Anteil bei den Langzeitobdachlosen läge noch höher. Ironischerweise hatten sie die Ausbildung, um auf der Straße zu schlafen. Aber was führte so viele dazu, genau das zu tun?
    Natürlich waren da dieselben Risikofaktoren und Auslöser wie bei den anderen, und man brauchte keine ausgeprägte Fantasie zu haben, um sich vorzustellen, dass dazu noch weitere kamen, die spezifisch waren für einen Exsoldaten: posttraumatischer Stress, Wiedereingewöhnungsprobleme, die wiederum zu Drogen- und Alkoholabhängigkeit führten. Doch das waren nur Kapitelüberschriften aus einem Handbuch für Sozialarbeiter. Wenn er wirklich verstehen wollte, das wusste Thorne, musste er diese Leute kennen lernen und mit ihnen reden …
    Ein Mann reckte den Kopf hinter der Tür hervor und starrte Thorne kurz an, bevor er wieder verschwand. Die einzige andere Person im Raum hatte nicht einmal aufgeblickt. Der Mann saß Thorne gegenüber in einem schäbigen grünen Sessel, zwischen seinen Füßen lagen aus den Polstern gequollene Schaumflusen auf dem Boden. Er hielt die Holzlehnen umklammert, als hinderten sie ihn daran, sich in die Luft zu erheben, und starrte die Titelseite des Daily Star an. Die Zeitung hatte seit einer Weile unberührt auf seinen Knien gelegen.
    Weder Thorne noch jemand anderer wusste, ob Jago und das andere Opfer wegen ihrer Armeevergangenheit umgebracht worden waren oder weil sie obdachlos waren oder aus einem der Gründe, der von dem einen zum anderen geführt hatte. In der Hoffnung auf hilfreiche Hintergrundinformationen hatte Brigstocke sich an die Ex-Service Action Group gewandt, die ehemalige Soldaten betreute. Thorne hatte mittlerweile gemerkt, dass seine Rolle ihm ermöglichte, mit Leuten zu sprechen, die sich in derselben Situation wie Chris Jago und das andere Opfer befanden.
    Abgesehen davon hatte Thorne in den letzten Wochen die Erfahrung gemacht, dass man niemanden direkt fragen konnte.
    »Das ist ein richtiges Loch hier«, sagte Thorne. »Stimmt doch, oder? Die sollten einfach ’ne Granate reinwerfen, und Schluss …«
    Der Mann gegenüber ließ den Daily Star auf den schaumflusenbedeckten Boden gleiten, stand auf und verließ das Zimmer.
    Thorne angelte sich die Zeitung. Er blätterte auf die Sportseite und sah, dass die Spurs trotz des Unentschiedens gegen Liverpool letzten Samstag noch immer gefährlich nahe bei den Abstiegsplätzen herumkrebsten.
    Dann folgte er dem Mann nach draußen.
    Auf dem Weg zum Ausgang dachte er über die Geschichten nach, die sein Vater vom Krieg erzählt hatte. Jim Thorne war nicht älter als neun oder zehn gewesen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach, und sein Militärdienst hatte ihn nicht über die Salisbury Plain hinausgeführt. Aber nur zu gern hatte er erzählt, dass er vor seinem achtzehnten Geburtstag noch keine Ananas gesehen hatte. Und an die Nächte, die er in den Luftschutzkellern verbrachte, während die Bomben auf Nordlondon fielen, erinnerte er sich bis zum Schluss ganz klar. Thorne wusste zwar, dass das nicht ungewöhnlich war, fand es aber dennoch erstaunlich, dass sein Dad sich zwar an jedes Detail des Luftschutzkellers erinnern konnte, aber dennoch vergaß, seine Unterhose anzuziehen.
    »Ach Dad …«
    »Ich hab’s vergessen. Ich hab das Scheißding vergessen!«
    Sein Vater hatte Thorne oft erzählt, er habe seine Zeit als Soldat genossen. Die Disziplin und die Routine hätten ihm gut getan. Ob die Probleme vieler aus der Armee ausgeschiedener Soldaten wohl mit der Unfähigkeit zu tun hatten, mit dem Chaos, der fehlenden Struktur in ihrem Leben in der wirklichen Welt klarzukommen? Das würde zumindest erklären, warum so viele sich diese Ordnung auf eine andere Weise wieder verschafften, nämlich indem sie von der Armee umgehend ins Gefängnis wanderten.
    Ob Jago und der andere wohl je gesessen hatten …?
    Am Ausgang sah er den Mann aus der Lounge wieder, und etwas an seiner Haltung erinnerte ihn an Victor, den Freund seines Vaters. Er war ein paar Jahre älter als Jim Thorne und im Krieg gewesen. Thorne fragte sich, was jemand aus Victors Generation wohl von alldem hielte. Er kannte die Geschichten über die Soldaten des Ersten Weltkriegs, die mit einer Kriegsneurose heimgekommen und falsch behandelt worden waren, aber ließ sich das mit dem vergleichen, was die Männer

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