Tom Thorne 05 - In der Stunde des Todes
gedient hatten.
Einer davon war bereits tot. Zwei vielleicht, oder vielleicht bald …
Dabei ging es in viel zu vielen dieser Anrufe und E-Mails um Tom Thorne.
»Verdammte Scheiße«, sagte Brigstocke. Er und Holland saßen in seinem Büro, nachdem sie gerade zum Mittagessen ein Schinkensandwich und Käse-Zwiebel-Chips verdrückt hatten, die sie vom Oak hatten rüberbringen lassen. »Dieser Wichser von Pressesprecher – wie heißt er gleich wieder, Norman? – hat mindestens ein halbes Dutzend Mal angerufen. Tut so, als fielen Zeitungen und das Fernsehen über ihn her.«
Holland verzog das Gesicht. Er kannte Steve Norman von einem Fall, der bereits ein paar Jahre zurücklag und bei dem das MIT gezwungen gewesen war, enger mit den Medien zusammenzuarbeiten, als ihnen lieb war. »Ein Schleimscheißer, über den ganz wer anderes herfallen sollte.«
Entweder fand Brigstocke die Bemerkung nicht witzig, oder er hatte nicht zugehört. »Ich hab so wenig gesagt wie möglich. Aber ich glaube, die sind glücklich, wenn die Story noch eine Weile läuft. Da scheint sich keiner anzustrengen, die Sache klein zu halten.«
»Wär auch etwas spät …«
»Norman ist nicht leicht zu durchschauen, aber ziemlich helle. Wir haben ein bisschen um den heißen Brei herumgeredet, Sie verstehen schon. Über die Story, die Undercovergeschichte.« Er malte imaginäre Anführungszeichen in die Luft. »Aber ihm war klar, dass wir über Thorne reden.«
Es klopfte an der Tür.
Holland senkte die Stimme. »Sollte er das wissen?«
»Sollte er nicht, aber wenn die undichte Stelle ein Bulle war, dann ist es nicht allzu verwunderlich.«
Holland dachte zurück an den Fall, bei dem er zum ersten Mal mit dem Pressesprecher zu tun gehabt hatte. Daran, wie Norman sich mit einem ganz bestimmten Polizeibeamten in die Haare geriet. »Er und Thorne sind schon mal zusammengestoßen …«
Brigstocke lachte bellend. »Gibt es denn jemanden, mit dem Tom noch nicht zusammengestoßen ist?«
Erneutes Klopfen. Und nachdem man sie hereinbat, steckte Yvonne Kitson den Kopf zur Tür herein. Holland entging nicht der Blick, als sie sah, dass er und Brigstocke sich zurückgezogen hatten, und sie sich fragte, ob die beiden gerade ihr Gespräch unterbrochen hatten. Was immer sie empfand – Neugier, Neid, Misstrauen es war ihr nur kurz anzusehen. Hoffentlich war Kitson nach Abschluss der Ermittlung nicht zu sauer, dass man sie nicht in die Undercoverermittlung eingeweiht hatte. Holland glaubte sie gut genug zu kennen. Er vertraute darauf, dass sie den Grund dafür in seiner engen Arbeitsbeziehung zu Tom Thorne sehen und sich nicht allzu zurückgesetzt fühlen würde.
»Stör ich, Sir?«
»Nein, kommen Sie nur rein, Yvonne. Ist alles so weit klar im Team nach der Besprechung heute Morgen?«
»Ich glaub schon …«
Nachdem die Story am Tag zuvor im Standard gebracht worden war, hatte Brigstocke keine andere Wahl, als sich seinem Team gegenüber zu äußern. Er war gezwungen zu lügen, ja, es gebe einen Undercoveragenten in dieser Ermittlung, aber der Beamte stamme, wie zu erwarten war, von der SO10. Mehr brauche niemand zu wissen.
Niemand hatte Grund, daran zu zweifeln, dass dies die Wahrheit war. Und selbst wenn sie dies täten, kämen sie wohl nicht auf die Idee, dass es sich bei dem betreffenden Beamten um Tom Thorne handelte.
»Alles in Ordnung, Dave?«, fragte Kitson.
»Ja, alles bestens …«
Wenn er es sich recht überlegte, wäre es Holland vielleicht sogar lieber, wenn Kitson sich mit Thorne rumschlagen müsste. Um ehrlich zu sein, er hätte gerne auf diesen Stress verzichtet.
Kitson und Brigstocke redeten ein paar Minuten über einen anderen Fall. Die Obdachlosenmorde standen zwar im Rampenlicht und verschlangen am meisten Ressourcen, aber es gab zumindest theoretisch noch siebenundvierzig weitere ungeklärte Mordfälle in ihren Akten: Dutzende von erstochenen, erschossenen und erschlagenen Frauen und Männern. Entsetzliche Morde. Vorhersagbare und perverse. Bandenmorde, Beziehungsmorde, Verbrechen aus Hass. Alles vom Sexualmord bis zum Totschlag im Suff. Morde in allen bekannten Variationen sowie ein paar, die für die jeweilige Gelegenheit erfunden zu sein schienen. Einige waren nach Beginn der Obdachlosenmorde hereingekommen, andere wiederum stammten aus der Zeit davor. Zum Glück befanden sich nicht wenige in der Endphase vor dem Prozess. Doch es gab noch genug, die festgefahren schienen. Und das waren die, die auf Sparflamme liefen. Diese
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