Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
blieb er kurz stehen, um sich zwei Dosen Cola und eine Ausgabe von Uncut zu kaufen. Dabei sprach er kein Wort, sondern dachte nur daran, dass Chamberlain recht hatte damit, dass der Name Freestone hätte fallen müssen. Irgendjemand hätte ihn erwähnen müssen … Vielleicht einer der Polizisten, mit denen er gesprochen hatte. Auf alle Fälle Jesmond. Und warum hatte Tony Mullen nichts gesagt?
Den Rest des Wegs konzentrierte er sich auf Luke Mullens Vater. Warum er nichts mit dem Mord 2001 und der Jagd nach Grant Freestone zu tun haben konnte, dem Mann, den er zuvor für zwölf Jahre hinter Gitter gesteckt hatte, dem Mann, der ihm in aller Öffentlichkeit gedroht hatte.
Denn 2001 war das Jahr – er musste noch den Monat checken –, in dem Tony Mullen den Dienst quittierte.
Der rote Skoda parkte südlich der Bow Road, in einer Seitenstraße unterhalb der Einfahrt in den Blackwell Tunnel. Zu seiner großen Freude stellte Thorne fest, dass während seiner Abwesenheit Dave Holland gekommen war. Er ignorierte den DS hinter dem Steuerrad und setzte sich zu Holland auf den Rücksitz.
Der DS auf dem Fahrersitz drehte sich unter Polyestergeraschel um. »Lasst euch nicht stören …«
Zwar hatte Thorne bereits am Tag zuvor vom Mullenhaus aus telefoniert, aber seit Hollands Fahrt zu Butler’s Hall hatten sie sich nicht mehr gesehen. Im Fond des Autos sprachen sie über Adrian Farrell, über Hollands Telefonat mit Yvonne Kitson und ob ein Zusammenhang zwischen Lukes Entführung und dem Latif-Mord denkbar sei.
»Sicher sollte man darüber nachdenken.«
»Aber nicht zu lange, oder?«, entgegnete Holland.
Thorne riss eine Cola-Dose auf. »Ich glaub es nicht, um ehrlich zu sein.«
Fünf Minuten saßen sie schweigend da. Während Holland aus dem Fenster schaute, blätterte Thorne durch seine Film- und Musikzeitung. Der Blick, der sich hier bot, gehörte zum Deprimierendsten, was Thorne je gesehen hatte. Andererseits war er sich nicht sicher, ob er den Anblick des Taj Mahal vier Stunden am Stück ertragen würde.
»Hat was, oder?«, sagte Holland schließlich.
»Wenn man auf Beton steht.«
Der Mann von der SO7 nutzte die Gelegenheit, sich ins Gespräch zu bringen, und deutete auf die Bow-Überführung. Der granitverkleidete Betonpfeiler erhob sich im Norden und führte den Verkehr der A11 über die A12 hinweg und über den River Lea hinaus aus der Stadt nach Essex. »Es heißt, dass die Krays da drin Frank Mitchell beerdigt haben. In einem von den Stützpfeilern.«
»Ja«, sagte Thorne. »1966.« Er kannte die ganzen Geschichten über die Zwillinge, und was sie angeblich mit »Mad Axeman« Mitchell angestellt hatten, nachdem sie ihn etwas überstürzt aus dem Gefängnis in Dartmoor befreit hatten. Zwar war noch immer nicht geklärt, wo sich die letzte Ruhestätte des Axeman befand – manche behaupteten, die Leiche sei im Meer versenkt worden. Nichtsdestotrotz war es immer noch merkwürdig, dass dreißig Jahre nach Mitchells Verschwinden Ronnie Krays Leichenzug über die Bow-Überführung zog. Kaum die direkte Strecke zum Friedhof in Chingford.
Der DS wunderte sich. »Wieso kennen Sie sich damit so gut aus?«
»Zuviel Zeit, der Mann«, erklärte Holland.
»Bei den Typen hat man wenigstens gewusst, wo man dran ist«, sagte Thorne.
Holland ließ den Kopf nach hinten sinken. »Zum Beispiel einfache Spitznamen.«
»Genau. Da kam niemand durcheinander.«
»Er ist verrückt, er hat eine Axt. Wie sollen wir ihn nennen?«
»Ah …«
Während sie so vor sich hin alberten, ließ der Mann von der Kidnap Unit sie im Rückspiegel nicht aus den Augen. Er wollte nur zu gern wissen, ob sie ihn verarschten.
Mittags durften die Oberstufenschüler von Butler’s Hall das Schulgelände eine Stunde lang verlassen. Einige gingen mit ihren Sandwiches in einen nahe gelegenen Park, aber die meisten machten sich auf den Weg ins Ortszentrum und klapperten die bescheidene Auswahl an Läden dort ab. Sie stöberten in der kleinen Filiale von Game and HMV oder hingen vor dem Fish-and-Chip/Kebab-Imbiss ab, stets bemüht, nur ja nicht wie Kids von einer Privatschule auszusehen oder bei etwas ertappt zu werden, was ein schlechtes Licht auf die Uniform werfen könnte, die sie trugen.
Yvonne Kitson saß in ihrem Auto am Ende der Straße gegenüber des Schuleingangs und beobachtete die Schüler, die herauskamen. Sie wartete darauf, den ersten Blick auf Adrian Farrell werfen zu können.
Neben ihr blätterte DC Andy Stone durch den Daily
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