Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders
Schlüssel, und das älteste Kind öffnete die Tür.«
»Mein Gott.«
»Unfall hin oder her, Freestone ließ die Frau verbluten. Totschlag wäre also das Mindeste gewesen, mit dem er hätte rechnen müssen. Und bei seinem Hintergrund denke ich nicht, dass er so schnell wieder herausgekommen wäre. Deshalb ist er untergetaucht.«
Die Idee traf Thorne wie ein Ziegelstein durch eine Glasscheibe. Wenn Freestone Tony Mullen bedroht hatte, bevor er ins Gefängnis marschierte, hätte Tony Mullen seine Entlassung dann nicht beunruhigt? Sie als Bedrohung für sich oder seine Familie gesehen? Und wäre es ihm dann nicht zupass gekommen, den kleinen Dreckskerl aus dem Weg zu räumen? War es denkbar, dass Mullen Grant Freestone eine Falle gestellt hatte?
Neue Gedanken, neue Überlegungen …
Mullen hörte im selben Jahr bei der Polizei auf, in dem Grant Freestone verschwand.
Falls Luke Mullen tatsächlich entführt worden war, um seinem alten Herrn eins auszuwischen, hatte Grant Freestone vielleicht ein besseres Motiv als manch anderer.
Roper holte Thorne mit einem Knall auf den Boden der Tatsachen zurück.
»Kidnapping kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen«, sagte er. »Warum sollte Freestone, wenn er es geschafft hat, uns die ganze Zeit aus dem Weg zu gehen, plötzlich wieder auftauchen? Nur weil ihn der Vater des Jungen vor ewigen Zeiten mal weggesperrt hat? Warum soll er wegen etwas so Bescheuertem wie Rache riskieren, geschnappt zu werden?«
Ein schlagendes Argument, das musste Thorne zugestehen.
Louise Porter griff nach dem Foto und betrachtete gedankenverloren die Gesichter der drei Jungen.
Das Hauptquartier der Area West Murder Squad war nicht zu vergleichen mit dem, was sie im Scotland Yard gewohnt war. Die im dritten Stock des Becke House untergebrachte Einsatzzentrale war ein Großraumbüro im Miniaturformat, an dessen einer Seite sich ein Korridor entlang wand, von dem kleinere Büros abgingen. In eines dieser Büros, das Leute vom Team 3 beherbergte, hatte sich Porter auf die Suche nach Yvonne Kitson gemacht.
Noch eine Stunde bis Mittag, und sie fühlte sich, als hätte sie bereits einen ganzen Arbeitstag hinter sich. Seit ihrer Ankunft im Becke House hatten sich alle ins Zeug gelegt. Und obwohl man sich noch am Anfang befand, und alles ziemlich improvisiert wirkte, schien es einigermaßen glatt zu laufen. Was die Zusammenarbeit der beiden Einheiten betraf, hatten die beiden DCIs darauf bestanden, kopfüber ins tiefe Wasser zu springen. Das zeigte sich daran, wer mit wem losgeschickt wurde, die ursprüngliche »Hass«-Liste abzuarbeiten. Holland war mit einem DC von der Kidnap Unit zu einem ehemaligen Karriereräuber namens Harry Cotterill geschickt worden, der sich zum reifen Studenten gewandelt hatte, während Stone und Heeney versuchten, einen zweitklassigen Zuhälter und gelegentlichen Brand-Stifter namens Philip Quinn aufzuspüren. Letzterer war ein ehemaliger Informant, den Mullen von der Straße genommen hatte, als er nicht mehr nützlich war, und der sich das damals so zu Herzen nahm, dass er versuchte, Mullens Haus abzufackeln.
Während diese vier – und Tom Thorne – unterwegs waren, um der Hassgeschichte nachzugehen, blieben Porter und die anderen im Büro und ließen die Finger über die Tastatur marschieren, wobei ihnen eine Tote den Weg wies.
Ein Blick auf Amanda Tickells ausgezehrten Körper – die Haut war an den Stellen, an denen sie nicht blutverschmiert war, ganz wächsern – und Phil Hendricks wusste, dass sie drogenabhängig war. Zwanzig Minuten später, nachdem er mit der Obduktion angefangen hatte und sich sicher war, rief er an und gab damit Porter und den anderen einen Hinweis für ihre ersten Ermittlungen. Der Rest des Vormittags ging dafür drauf, Kontakte herzustellen: zu Rehabilitationszentren, Drogenermittlern, Kontaktbereichsbeamten, Verwandten und Freunden, um den Namen eines Dealers oder anderen Drogenabhängigen herauszulocken. Über diesen hoffte man an einen möglichen Dritten im Hintergrund heranzukommen, mit dem oder auf dessen Anweisungen hin das Pärchen seine Geschäftsbereiche entscheidend verändert und Luke Mullen gekidnappt hatte.
An einen möglichen Dritten …
Solange die Forensik keine gegenteiligen Beweise lieferte, hielt sich die Theorie, Luke Mullen habe seine Kidnapper umgebracht, hartnäckig am Leben. Auch wenn Porter nicht mit vielen gesprochen hatte, die wirklich überzeugt oder zumindest so überzeugt davon waren, dass sie sich
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