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Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders

Titel: Tom Thorne 06 - Die Geliebte des Mörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Billingham
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Früher befand sich hier der Sanctuary Tower, der Schutzturm: Welche Ironie, dass aus ihm der siebenjährige Duke of York zusammen mit seinem älteren Bruder von dem späteren Richard III. verschleppt wurden, um anschließend ermordet zu werden. Vierhundert Jahre später hatte an derselben Stelle das Gefängnis von Tothill Fields gestanden, dessen Insassen zum Teil erst fünf Jahre alt waren und Bedingungen ertragen mussten, die denen des Gefängnisses in Newgate zwei, drei Kilometer flussaufwärts an Schrecken in nichts nachstanden. Und das Gebäude spielte noch immer eine wichtige Rolle in der Verfassungsgeschichte. Im Verlauf des Jahres sollte es geschlossen werden, um 2008 als Supreme Court – als oberster Gerichtshof, Heim für ein Dutzend unabhängiger Law Lords und höchstes Gericht des Landes – wieder zu öffnen.
    Während Thorne mit Porter die Steinstufen zu den Büros des Bewährungsamtes hinaufstieg, ging ihm durch den Kopf, dass die im Tower ermordeten Prinzen inzwischen höchstwahrscheinlich in die Befugnis von Roper und seinem Sexy Enquiries Team fielen. Und dass von den nervös vor den diversen Gerichtssälen Sitzenden, die allerdings deutlich älter als fünf waren, auch nicht einer hier saß, weil er einen Laib Brot gestohlen hatte …
    Die meisten der sieben Gerichtssäle waren zwar ebenso karg und düster-elegant wie das Gebäude selbst, aber die Ausstattung der meisten sich daran anschließenden Büroräume beschränkte sich auf das Notwendige. Das Büro, in dem Thorne und Porter sich wiederfanden, war zweckmäßig und schmuddlig. Und wenn Callum Roper so makellos auftrat wie sein blitzendes neues Zuhause, spiegelte Peter Lardner seine etwas heruntergekommene Umgebung nicht minder wider.
    Er sah so schlimm aus wie die beschissenste aller Sünden.
    »Ich weiß, was Grant Freestone sagen würde.« Lardner streckte die Hände aus, fuhr mit den Armen über den Schreibtisch, als wünsche er sich nichts so sehr, als den Kopf darauf zu legen und zu schlafen. Er beantwortete Thornes Frage im Flüsterton, ohne jeden Ausdruck, und fixierte dabei einen Punkt auf dem groben, grauen Teppich zwischen seinem Schreibtisch und den Stühlen davor. »Er würde es leugnen. Genauso wie er wahrscheinlich leugnen würde, die Frau durch diesen Couchtisch geschubst zu haben. Er hat auch geleugnet, die Kinder gefangen zu haben. Sogar noch, als wir sie mit Gärtnerdraht gefesselt in seiner Garage gefunden haben.«
    »Er hatte wohl ein Problem, den Tatsachen ins Auge zu sehen, dieser Mr Freestone?«, fragte Porter.
    »Er hat geglaubt, die ganze Welt sei hinter ihm her.«
    »Das war sie vielleicht auch«, sagte Thorne. Er kannte eine nicht gerade kleine Ecke der Welt, wo man die Titelseiten der Zeitungen mit den Fotos mutmaßlicher Pädophiler pflasterte. Wo man damit rechnen musste, von der Polizei in der Drogerie abgefangen zu werden, wenn man die Fotos seines Kindes im Planschbecken abholte. Wo eine Kinderärztin Gefahr lief, dass man ihr Haus abfackelte, weil irgendein Idiot die Wörter Pädophilie und Pädiatrie nicht unterscheiden konnte. Wenn die Welt hinter jemandem her war, dann hinter einem Mann wie Grant Freestone.
    »Der hat im Knast garantiert einiges an Tritten einstecken müssen«, sagte Lardner, »und sich an den Geschmack von Tee mit Pisse gewöhnt.«
    »Dann muss er in unserer Kantine gewesen sein«, meinte Porter.
    Lardner nickte, nahm den Witz zur Kenntnis, lachte aber nicht darüber. Später waren sich Thorne und Porter einig, dass er wohl nicht allzu viel lustig fand, dass sie aber auch nicht über alles und jedes losprusten würden, wenn sie soviel Zeit wie Lardner damit verbrächten, sich mit Kriminellen zu unterhalten. Die Dreckskerle einzufangen war schon übel genug.
    Thorne schätzte ihn auf Ende vierzig. Er hatte zwar noch so gut wie kein graues Haar, aber oben am Scheitel wurden seine Haare bereits schütter. Seine Augen leuchteten hell hinter der Brille mit dem Metallrahmen. Er trug einen Anzug und Krawatte, aber die einzelnen Kleidungsstücke schienen einander nicht ausstehen zu können. Er erinnerte Thorne an einen Lehrer, den er gut leiden konnte, einen Mann, der mitten in einer Erdkundestunde innehielt, um zu erklären, das sei alles reine Zeitverschwendung, und ihnen stattdessen Geschichten vorlas. Sherlock Holmes, Die neununddreißig Stufen …
    »Aber was haben Sie gedacht?«, fragte Thorne. »Sie haben ihn wahrscheinlich besser gekannt als die anderen im Ausschuss. Und natürlich

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