Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
gedehnt und heiser, die Müdigkeit war noch deutlicher zu hören als letztes Mal. Thorne hielt sich das freie Ohr mit der Hand zu. »Ich bin da. Ich habe Ihre Nachricht bekommen.« Er drehte sich zur Metallwand. »Ich hab ›Squire‹ gesehen.«
»Der wirkt, als wäre er mit sich und der Welt im Reinen, oder?«
Jetzt hat er einiges zum Nachdenken, dachte Thorne.
»Führt seinen verdammten Hund spazieren …«
»Hören Sie … ich kenne ihn«, sagte Thorne. Er wartete auf eine Reaktion, sah zu, wie die Regentropfen von den Autos und Vans im Hinterhof sprangen.
»Wahrscheinlich nicht ganz so gut, wie Sie dachten. Er ist ein Meister darin, sich für einen anderen auszugeben.«
Eine Polizistin kam um die Ecke gerannt und trat in den Käfig. Sie stand neben Thorne, fluchte und schüttelte den Regen ab. Thorne knurrte ein Ja ins Telefon und wartete, dass sie in die Wache ging.
»Also, was haben Sie getan?«, fragte Brooks. Diese einfache Frage klang erschöpft, verzweifelt. »Haben Sie es ihm gesagt?«
»Ich hab ihm die Wahl gelassen.«
»Das ist alles?«
»Bislang.«
»Hoffen Sie, dass er sich stellt?«
Daraus schloss er zwar, dass der Mann in dem Videoclip noch am Leben war, wusste aber dennoch nicht, wie er die Frage beantworten sollte. Natürlich wollte er, dass »Squire« für das, was er getan hatte, bezahlte. Aber das war es dann auch. Wie er dafür bezahlte, war eine andere Sache. »Keine Ahnung, was er machen wird.«
Brooks atmete schwer, fast stöhnte er. »Ich würde nur zu gerne wissen, was Sie vorhaben.«
»Damit wären wir zwei.«
»Sie könnten ihn einfach festnehmen.«
»Ich habe keine Beweise.«
»Die gibt es sehr wohl. Das wissen Sie.«
»Lassen Sie mir Zeit, sie zu finden?«
Brooks’ Pause machte deutlich, wie erpicht er darauf war, seinen Job zu Ende zu bringen, und dass »Squire« nicht lange Zeit für seine Entscheidung hatte. »Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich hab keinen wirklichen Plan«, antwortete Thorne.
»Vermutlich beobachten Sie ihn. Warten darauf, dass ich wie ein Idiot anrolle, damit Sie uns beide auf einen Schlag hochnehmen können.«
Thornes Ambivalenz kippte in Gereiztheit um, und darüber war er froh. Draußen dieses bekackte Wetter, und er ließ sich hier drinnen von einem Mörder erklären, was er zu tun habe. Was er, wie ihm absolut klar war, tun sollte . »Warum schicken Sie mir überhaupt diese verdammte Scheiße? Sie sind doch nicht blöd, Sie wissen genau, dass Sie das über kurz oder lang hinter Gitter bringt. Bei diesen Nachrichten ging es doch nicht nur darum, Stuart Nicklin einen Gefallen zu tun?«
Thorne musste sich anstrengen, die Antwort zu verstehen. Es regnete heftiger, und Brooks klang immer leiser. »Ich würde Nicklin nicht verarschen«, sagte er. »Die Sache ist die, wenn das hier vorbei ist, ist es mir egal, was passiert. Ich werde gefasst, ich werde nicht gefasst, das macht für mich keinen Unterschied. Das Gefängnis macht die Zukunft für mich nicht schlimmer, also lass ich es darauf ankommen.« Wieder dauerte es, bis er weitersprach, leise und tonlos. Er hörte sich an wie von einem Störungsgeräusch überlagert. Eine Stimme, die durch Mauern dringt. »Mir reicht es, abzuwarten und zu sehen, was passiert.«
Thorne hörte es klicken und drei harte Töne. Er lauschte noch ein paar Sekunden in die Leere. Ihm reichte es nicht, abzuwarten und zu sehen, was passierte. Aber er hatte keine große Wahl.
Kemal redete noch immer, aber er sagte nicht sehr viel.
Natürlich war es möglich, dass ihm seine Anwältin einen Tipp gegeben hatte. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass die Befragung unterbrochen worden war. Wie auch immer, nach fünf Minuten war Thorne klar, dass der Schwung raus war und dass es bei ihm lag, ihn wieder reinzubringen.
»Sie wissen sicher, wie wir Sie gefunden haben, Hakan?«
»Der Strafzettel wegen falschem Parken.«
»Nein, ich meine, woher wir überhaupt erfuhren, dass Sie der Mann sind, nach dem wir suchen?«
Kemal wartete.
»Harika hat es uns gesagt.« Er nickte und lächelte. »Ihre Schwester hat uns gesagt, dass Sie Deniz Sedats Mörder sind.«
Thorne entging nicht, wie Kitson neben ihm erstarrte. Ihm war klar, sie war nicht einverstanden mit seinem Ansatz, und sie hatte Harika Kemal bestimmte Zugeständnisse gemacht. Aber er war nun mal überzeugt, alles geben zu müssen.
Sie hatten sich kurz unterhalten, bevor Kemal wieder in den Verhörraum gebracht wurde. Als Kitson ihn bedrängte, vorsichtig
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