Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
organisierten Verbrechen gegenüber ausgepackt hätte, hätten wir den Tipper-Mord vielleicht ein bisschen mehr als Notwehr hindrehen und es mit einer Anklage auf Totschlag probieren können. Aber darauf wollte er sich nicht einlassen.«
Thorne verstand die Gründe, warum Brooks niemanden verpfeifen wollte. »Er bekommt vielleicht ein paar Jahre mehr, aber wenn er dichthält, muss er im Knast nicht ständig um sein Leben fürchten.«
»Wahrscheinlich«, sagte Lilley. »Letztlich bekam er elf Jahre, von denen er sechs absaß.«
»Er ist draußen ?«
»Er wurde vor fünf Monaten entlassen.«
Eine Sekunde lang hatte Thorne das dringende Bedürfnis, sich am Hals zu kratzen, so aufregend fand er diese Information. Er hatte Lilley also richtig eingeschätzt, diese Frau blieb an ihren Fällen dran und wusste noch nach Jahren, wo die Täter abgeblieben waren. Er machte ihr deshalb ein Kompliment.
Sie lachte. »Hören Sie, ich sage nicht, dass es nicht ein, zwei Leute gibt, auf die ich ein Auge habe. Und ich fühl mich echt geschmeichelt, dass Sie mich für so … gründlich oder was weiß ich halten. Aber ich hätte nicht die geringste Ahnung, wann Marcus Brooks entlassen wurde, wenn sich nicht vor einiger Zeit jemand nach ihm erkundigt hätte.«
»Und wer war das?«
»Bethnal Greens CID meldete sich im Juni bei mir, als Brooks’ Freundin und sein Junge bei einem Verkehrsunfall ums Leben kamen. Fahrerflucht.«
»Mein Gott.«
»Ja, üble Sache...«
»Moment mal.« Thorne hob den Finger und rechnete. »Das wär dann um die Zeit gewesen, als Brooks rauskam, oder?«
»Vierzehn Tage davor. Ein paar von den Jungs dort besuchten ihn im Knast, um ihm die Nachricht zu überbringen. War garantiert nicht leicht.
Das Auto überfuhr eine rote Ampel und raste über den Zebrastreifen. Praktisch vor ihrer Haustür.«
»Und der Fahrer ist nicht bekannt?«
»Der Wagen wurde ausgebrannt aufgefunden.«
»Besteht eine Möglichkeit, dass Absicht dahintersteckte?«
»Das waren Jugendliche auf Sauftour«, sagte Lilley und musterte ihn, als wollte sie seine Gedanken lesen.
Wahrscheinlich hatte sie recht, aber Thorne musste an Mülltüte und seine Lady denken, an den Ausdruck auf ihrem Gesicht bei dem Gespräch vor ein paar Stunden.
»Wir haben ein langes Gedächtnis.«
»Selbst wenn es ein Unfall gewesen sein sollte, sah Brooks das vielleicht anders.« Thorne sprach leise und schnell. »Und wenn er zu dem Schluss kam, dass die Black Dogs seine Freundin und seinen Jungen aus Rache wegen Tipper umgebracht hatten?«
»Nach sechs Jahren?«
»War doch der beste Zeitpunkt. Genau, als Brooks freikommt, als er glaubt, er kriegt sein altes Leben zurück.«
»Er kommt also aus dem Gefängnis und beginnt mit seinem Rachefeldzug?«
»Tucker, dann Hodson …«
Lilley runzelte die Stirn und trank aus. »Ich weiß nicht, das ist so eine Idee...«
Die Musik schien lauter zu sein. Meat Loaf war längst Coldplay gewichen oder einem ähnlich unerträglichen Gejaule. Thorne hörte zu und dachte nach. Er wusste, wozu einen Wut und Trauer treiben konnten, aber er fragte sich trotzdem, ob er nicht Gespenster sah. »Wunschdenken« hatte Jesmond das mal genannt.
Sie redeten noch ein paar Minuten, bevor Thorne sich verabschiedete. Er streckte die Hand nach seiner Jacke aus, und Lilley meinte, sie bleibe noch etwas länger. Thorne bot ihr an, ihr noch ein Glas Wein zu holen, als eine Art Dankeschön, aber sie winkte ab. Er sah, wie sie nach ihrer Handtasche griff, und fragte sich, ob sie jemanden hatte, zu dem sie nach Hause kommen konnte. Ob er sie zum Essen einladen konnte, ohne dass dies als billige Anmache rüberkam.
Lilley zwängte sich von ihrem Platz hinter dem Tisch hervor. »Ich sag Ihnen was, es macht keinen großen Unterschied, ob die Black Dogs Marcus Brooks’ Freundin umgebracht haben oder nicht.« Sie strich ihren Rock glatt. »Falls sie nicht auf Rache aus waren, dann sind sie es jetzt.«
Es war halb zehn, und Thorne starb fast vor Hunger, als er vor Louise’ Wohnung in Pimlico ankam. Sie ging in die Küche und taute Brot für ein Sandwich auf. »Du hättest was im Pub mit diesem DCI essen sollen«, sagte sie. »Wie heißt er eigentlich?«
»Sharon.«
Louise, die noch in der Küche war, steckte den Kopf durch den Türspalt.
»Eifersüchtig?«, fragte Thorne.
»Willst du jetzt das blöde Sandwich oder nicht?«
Thorne aß, während Louise ihm erzählte, was sich heute bei ihr getan hatte. Ihr gekidnappter Drogendealer
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