Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
bestritt noch immer, gekidnappt worden zu sein. Sie erklärte Thorne, sie beneide ihn um seinen Job, denn seine Mordopfer könnten wenigstens nicht so tun, als wären sie nicht tot. Thorne sagte ihr, sie solle dankbar sein, dass ihr der ganze Papierkram erspart bleibe.
Er erzählte von seinem Meeting, alles von den Black Dogs, und fragte sie, was sie davon halte, dass Marcus Brooks’ Familie ausgerechnet dann durch einen Unfall ums Leben kam, als er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Er versuchte - vergeblich - sie davon zu überzeugen, dass Sharon Lilley eine langbeinige Blondine sei, die total auf ihn stehe.
Das Gespräch wurde immer wieder durch den Lärm von Feuerwerkskörpern aus den umliegenden Straßen unterbrochen. Das war wieder so eines von Thornes Lieblingsärgernissen: dass es inzwischen von Halloween bis Mitte November nicht mehr aufhörte zu krachen. Der Lärm ging ihm von Jahr zu Jahr mehr auf die Nerven, und er musste, während er im Wohnzimmer seiner Freundin saß und sich wand, an Elvis denken, der zu Hause halb durchdrehte. Eine unangenehme Vorstellung.
Und außerdem war das wieder so ein Geruch, den er hasste.
Er hatte das Auto am Peel Centre stehen lassen und war von der U-Bahn zu Louises Wohnung gelaufen. Die Luft war ganz dick gewesen von dem beißenden Schwefelgeruch des Schießpulvers. Derselbe Geruch, der ihn in der Kehle gekratzt hatte, als er eines Morgens vor zwanzig Jahren mit einem Kollegen in eine große, hell erleuchtete Küche getreten war und sie ihre ersten Mordopfer sahen: die Ehefrau und die Mutter des Täters. Die Waffe lag noch neben dem Mann, der sie beide erschossen hatte, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete.
Remember, remember, the fifth of November ...
Das hatten sie als Kinder gesungen, um sich das Datum der Bonfire Night einzuprägen. Für Thorne hatte diese Nacht immer nach Blut und Schüssen gerochen. Und geschmeckt hatte sie nach allem, was einem jungen DC dabei die Kehle hochsteigt.
Sie sahen sich um zehn Uhr die Lokalnachrichten an. Es gab einen Überblick über die Ermittlung im Fall Deniz Sedat. Ein führendes Mitglied der türkischen Gemeinde sagte, wie enttäuschend es sei, dass es trotz der Entdeckung der Mordwaffe keine Fortschritte gäbe. Die Morde an Raymond Tucker und Ricky Hodson wurden nicht erwähnt.
»Wie alt war der Junge?«, fragte Louise später.
»Zehn«, sagte Thorne. »Der Junge war zehn.«
Sie saßen zusammen auf dem Sofa. Louise hatte die Füße in den dicken Socken auf das Sofa hochgezogen und es sich mit einer Tasse Tee gemütlich gemacht. »Du wärst am Boden zerstört«, sagte sie.
Thorne wandte sich vom Fernseher ab und zu ihr. »Was?«
»Wenn du so eine Nachricht erhalten würdest. Genau dann .«
»Oder zu jeder anderen Zeit …«
»Du weißt schon, was du vorhin gesagt hast? Über den Zeitpunkt, wenn er meint, er bekommt sein altes Leben zurück.« Sie setzte sich anders hin und schob einen Fuß unter Thornes Bein. »Was immer dieser Typ angestellt hatte, es ist beschissen, wenn dir so was passiert. Du denkst seit Monaten nur daran, endlich rauszukommen, ja? Wieder bei deiner Freundin und deinem Kleinen zu sein. Vielleicht hat dich nur das, dass du dich darauf freuen kannst, durch die Zeit im Gefängnis gebracht.«
»In diesem Fall hätte unser Mann ein ziemlich gutes Motiv.«
»Ein verdammt gutes Motiv.«
Thorne war sich nicht sicher, welche Aussagekraft Louise’ Begeisterung für seine Theorie hatte. Aber die Unterstützung tat gut.
»Uns ist beiden klar, dass genug von diesen Typen einfach Betrüger sind«, sagte sie, »die nur rauswollen, um da weiterzumachen, wo sie aufgehört haben. Aber einige wollen auch nur ihre Zeit absitzen und wieder bei ihrer Familie sein. Viele wollen die Zeit im Knast einfach nur heil überstehen und … sich nicht korrumpieren lassen.«
»Viele?«
»Also gut. Ein paar. «
Louises Worte wogen umso schwerer, da Thorne wusste, dass sie nicht zu Sentimentalitäten neigte. Sie war gegen eine vorschnelle Verurteilung, aber wenn man ihren guten Willen mit Füßen trat, dann war sie knallhart. Anscheinend fing sie tatsächlich an zu glauben, Marcus Brooks sei so ein Gefangener gewesen, wie sie ihn soeben beschrieben hatte, für den eine Todesnachricht - vor allem zu diesem Zeitpunkt - einen unvorstellbaren Schlag bedeutete. »Sechs Jahre von elf«, sagte er. »Da muss er sich ziemlich rausgehalten haben aus Schwierigkeiten.«
»Was viel heißen will, bei dem Knast, in dem er saß.
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