Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
ist ein Schock, seh ich. Denken Sie nicht, dass es mindestens so befriedigend ist, einen korrupten Polizisten zu schnappen wie einen Mörder, einen Bankräuber oder einen Drogendealer? Ich hab das alles schon gemacht, und glauben Sie mir, das ist es. Absolut.«
Thorne zuckte nur die Schultern, war sich aber nicht sicher, ob er Nunn glauben konnte. Zumindest war er sich nicht sicher, ob er selbst das so empfinden würde und sich über die Verhaftung eines korrupten Polizisten ebenso freuen würde wie über die Verhaftung eines Mörders.
Doch dann fiel ihm ein, dass das ja auch ein und dasselbe sein konnte.
Das Gespräch war inzwischen so gut wie verstummt. In Brent Cross und Golders Green stiegen Leute ein, und als sie aus Hampstead abfuhren, war der Wagen voll. Thorne und Nunn hatten lauter gesprochen, um den Zuglärm zu übertönen. Aber nun, da sie zwischen Fahrgästen eingekeilt waren, die hin und her schwankten, während die U-Bahn ruckelte und vibrierte, war ihnen beiden die Lust dazu vergangen.
»Hier wär ich«, sagte Thorne, als der Zug in Camden einfuhr.
Nunn hatte auf dem Zipfel von Thornes Jacke gesessen und rückte etwas zur Seite, damit Thorne aufstehen konnte. »Sie wissen, wo Sie mich finden können, wenn sich etwas ergibt.«
»Okay. Für mich gilt dasselbe.«
Nunn sah auf die Uhr. »Sie haben keine Lust auf einen Drink?«
Die Einladung war offensichtlich ernst gemeint. Damit hatte Thorne nicht gerechnet. Jetzt sah er auf die Uhr und überlegte, was er darauf antworten sollte. Doch Nunns Gesichtsausdruck hatte ihm einen kurzen Blick auf einen Mann gestattet, mit dem er nicht gerechnet hatte.
Bulle. Lebt allein. Kommt nicht gut mit anderen zurecht.
»Klingt nach einer guten Idee«, sagte Thorne. »Aber meine Freundin kocht mir heute was zum Abendessen …«
Der Lieferservice des Bengal Lancer war zuverlässig wie immer, und sie hatten das Rogan Gosht und das Chicken Tikka samt dem indischen Hüttenkäse, dem Spinat, dem Reis und dem Nan schnell weggeputzt. Thorne holte zwei weitere Flaschen Kingfisher aus dem Kühlschrank und räumte die Teller in die Küche.
Er rief ins Wohnzimmer: »Was ich sagen wollte, wegen meinem Handy …«
Louise rief zurück und bat ihn, es zu wiederholen. Sie hatte ihn nicht verstanden, weil sie durch die Kanäle zappte und der Fernseher zu laut war.
Thorne kam zurück, und Louise schaltete den Fernseher leiser. »Wegen des Handys«, sagte er. »Es ist nicht wichtig, aber ruf mich ab jetzt bitte auf dem Prepaid-Handy an.«
»Ich dachte, du hättest dein altes Nokia wieder.«
»Hab ich, aber die Leitung wird … abgehört . Du weißt schon, falls Brooks eine weitere Nachricht schickt oder anruft oder weiß der Geier. Also ruf mich lieber auf dem Prepaid an. Du hast doch die Nummer?«
Sie erklärte ihm, ja, die habe sie. Er meinte, für das, was er ihr gesagt habe, könnten sie ihn ins Gefängnis schicken. Sie versprach ihm, ihn zu besuchen.
»Denkst du, das liegt im Bereich des Möglichen, dass er sich noch mal meldet? Der blöde Kerl ruft dich an, und sie haben ihn. So einfach ist das.«
»Ja, das wär schön«, sagte Thorne. Er ging zurück in die Küche, und sie stellte den Fernseher wieder lauter. Nachdem er die Geschirrspülmaschine eingeräumt hatte, lehnte er sich gegen die Küchenfront. Von hier aus konnte er sie im Wohnzimmer sehen. Sie hatte einen Kabelkanal mit Musikvideos aus den Achtzigern gefunden und summte einen alten Depeche-Mode-Song mit.
Thorne sah zu seiner Lederjacke, die über dem Küchenstuhl hing. Sein Nokia steckte in einer der Innentaschen, das Prepaid-Handy in der anderen. Er hatte verschiedene Klingeltöne programmiert, damit es keine Verwechslung gab.
Er leerte sein Bier und begann mit sich selbst zu streiten.
Er war ehrlich zu Louise gewesen, was die Überwachung des Handys betraf, obwohl sie das nicht unbedingt wissen musste, so weit okay. Das entschuldigte vielleicht, dass er kein Wort über die Nachricht verloren hatte, die er Marcus Brooks geschickt hatte. Zumindest ansatzweise. War es nicht besser für sie, wenn sie nichts davon wusste und nicht darin verwickelt war? Nicht in die Scheiße hineingezogen wurde, die er mit einem solchen Feuereifer aufhäufte?
Ihm war klar, damit käme er nie und nimmer durch bei ihr.
Das kam aus demselben Sack alter Tricks wie »Ich hab dir nicht gesagt, dass ich mit einer anderen schlafe, weil ich dich nicht verletzen wollte«. In seinem tiefsten Inneren wusste Thorne, dass eher
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