Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
fest. Wenn er was versprochen hat, hält er es. Oder versucht wenigstens, es zu halten. Das hab ich immer respektiert.
Ich hab nicht viel gelernt. Wahrscheinlich gar nichts, ich weiß. Nur, wie wichtig es ist zu wissen, dass man das Richtige tut, auch wenn es sich nicht immer so anfühlt.
Schon ein seltsames Pärchen, wir beide. Ich und dieser Bulle. Ich sitze hier in diesem Loch, schreibe diese Seiten voll und versuche, mir über das alles klar zu werden, und frag mich dabei die ganze Zeit, was er wohl darüber denkt, was ich mache. Es interessiert mich nicht wirklich, aber es geht mir nicht aus dem Kopf.
Wer von uns beiden am Ende der Blöde ist.
Vielleicht beide ...
Sechzehntes Kapitel
Die Sonne ging gerade auf, und Thorne kratzte mit einer CD-Hülle den Frost von seiner Windschutzscheibe. Die Bäume in seiner Straße - er hatte keine Ahnung, um was für Bäume es sich handelte - waren kahl und für den Winter streng zurückgeschnitten worden. Bleich und stumpf im Zwielicht, bildeten sie eine beinahe perfekte Linie entlang des Bürgersteigs.
Die Nachricht hatte ihn vor einer halben Stunde geweckt. Der Klingelton des Prepaid-Handys.
Er hatte im Morgenmantel dagestanden, die Katze war ihm um die Beine gestrichen, und hatte sich den Clip angesehen. Wenn er den Mann nicht erkannt hätte, hätte es eine Szene aus einem Amateurporno sein können. Aber so dunkel und verschwommen die Aufnahme auch war, das Gesicht des Freiers war unverkennbar, dieses Mannes, der sich von einer Frau bedienen ließ, die mit Sicherheit nicht die seine, sondern eine Nutte war.
Das war nicht Mrs Mülltüte.
Thorne hatte auf das andere Handy geschaut, das überwacht wurde, und nervös gewartet, ob die Nachricht auch hier einging. Nach ein paar Minuten gab er es auf. Mit jeder Sekunde fühlte er sich unsicherer.
Louise war müde zu ihm gekommen, hatte sich in einen Morgenmantel gewickelt und gefragt, von wem die Nachricht sei.
»So ein blödes Upgrade-Angebot …«
»Was?«
»Ob ich ein Upgrade möchte.«
Noch immer verschlafen, brummelte sie etwas vor sich hin und ging zurück ins Schlafzimmer.
Brigstocke klang nicht viel wacher, als er ans Telefon ging. »Scheiße, Tom …«
»Wie viele Leute sind für die Überwachung von Martin Cowans abgestellt?«
»Was? Äh … da ist ein Mann an seiner Wohnung.«
»Und was ist mit dem Club?«
»Können wir nicht später darüber reden?«
Im Hintergrund war eine Frauenstimme zu hören; dann eine gedämpfte Stimme, als deckte Brigstocke das Telefon mit der Hand ab. Darüber Kindergebrüll. Die Brigstockes hatten drei Kinder, die sie jeden Morgen für die Schule fertig machen mussten. »Russell?«
»Ja, wir haben jemanden am Club. Und ich glaube, S&O hat auch Leute dort.«
»Wie viele?«
»Keine Ahnung. Da bricht doch garantiert niemand ein. Sie sagten doch, Fort Knox wär ein Dreck dagegen.«
»Wir dachten, der Schutz für Skinner steht. Haben Sie das vergessen?«
Brigstocke war jetzt hellwach und gereizt. »Wir besprechen das im Büro, okay? Ich hab um neun ein Meeting …«
Thorne warf die CD-Hülle zurück in den Kofferraum und stieg in den Wagen. Er hatte das Auto bereits angelassen, um dem betagten Heizsystem des BMWs genug Zeit zu geben. Trotzdem war das Lenkrad eiskalt, und er hatte nicht die geringste Lust, noch mal in die Wohnung zu gehen, um sich Handschuhe zu holen. Er sah auf die Uhr. Eine gute Zeit, um mit dem Auto zu fahren. Wenn es glattlief, war er vor halb acht Uhr im Büro.
Als er losfuhr, nahm er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er sah hinüber zu dem Baum auf der anderen Straßenseite, eine fette, nasse Taube, die merkwürdig auf einem Ast saß. Sie schüttelte ihre Federn wie einen Schirm aus - als ob sie fröstelte.
Kalt und genervt; nackt wie der Baum.
Er hatte das Büro nicht ganz für sich, aber eine halbe Stunde oder so konnte er relativ ruhig dasitzen, seinen Toast essen und seinen Tee trinken und sich den Kopf über das Wohlergehen und die Sicherheit eines mit Drogen dealenden, stark tätowierten Gangsters zerbrechen. Und über eine Vorgehensweise nachdenken, die bedeutete, dass er der Einzige war, der wusste, dass Martin Cowans in unmittelbarer Gefahr schwebte.
Und er fragte sich, ob es noch blöder ging.
Das war wirklich schwer zu toppen.
Von seinem Fenster aus beobachtete er, wie ein Kollege nach dem anderen durch das Tor des Peel Centre eintrudelte. Einige kannte er gut, andere überhaupt nicht oder nur vom Sehen oder aus der
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