Tom Thorne 07 - Das Blut der Opfer
ohne es zu ahnen, einen Nerv mehr getroffen hatte.
»Ich wär blöd, wenn ich jetzt ein Kind bekäme.«
»Kein Problem«, wiederholte Thorne.
»Das sagst du ständig, aber ich finde, das ist es sehr wohl. Es stört mich, dass du denkst, ich wär verzweifelt darauf aus, von dir geschwängert zu werden. Ich wär so eine Irre, die mit einer Stecknadel Löcher in deine Kondome sticht oder sich vor dem Supermarkt einen Kinderwagen krallt. So ist es nicht, ich bin im Augenblick absolut glücklich.«
»Das ist gut, das bin ich auch«, sagte Thorne.
»Wunderbar. Dann passt ja alles.«
Sie gingen vom Tisch zum Sofa und schalteten, als die CD zu Ende war, den Fernseher ein. Sie versuchten beide, sich irgendeinen Blödsinn anzuschauen und abzuschalten. Nachdem sie fünfzehn Minuten so dasaßen, bezweifelte Thorne, dass Louise dabei mehr Erfolg hatte als er.
Sie drückte die Mute-Taste auf der Fernbedienung und wollte gerade etwas sagen, als das Telefon klingelte.
Thorne erkannte die Stimme sofort.
»Woher haben Sie meine Privatnummer?«, fragte er. Er sah einen Schrank voll mit Aufnahmegeräten vor sich. Einen gelangweilten Techniker mit Kopfhörern, der bei dieser Frage sofort die Ohren spitzte.
»Kommen Sie«, sagte Rawlings. »Wenn Sie meine Nummer haben wollten, wie lange würden Sie dazu brauchen?«
»Was wollen Sie?« Neben ihm fragte ihn Louise tonlos: Wer ist das? »Ich hab gerade keine Zeit.«
»Nur ein kleines Schwätzchen. Fünf Minuten, mehr nicht.«
»Okay, aber nicht jetzt .«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Thorne hörte, wie Rawlings den Rauch ausblies, und wusste, dass er dabei leise fluchte.
»Wie wär’s morgen?«
»Passt. Rufen Sie mich einfach an.«
»Können wir uns treffen?«
Louise fragte noch immer. Thorne schüttelte den Kopf. Gleich würde er es ihr sagen. »Ich weiß noch nicht, was ich morgen mache. Eine Menge ist heute passiert und …«
»Was ist passiert?«
»Okay, Sie hatten Ihr Schwätzchen …«
»Jetzt kommen Sie. Wir können uns treffen, wo immer es Ihnen passt, okay? Fünf beschissene Minuten, Mann …«
Später, als Thorne in der Küche Kaffee machte, rief Louise aus dem Wohnzimmer: »Und du? Hast du schon mal über Kinder nachgedacht?«
Beinahe hätte Thorne sich die Finger verbrüht. »Nachgedacht, ja. Aber das ist schon länger her.«
»Warum hattest du keine mit Jan?«
Thorne hatte sich vor zwölf Jahren von seiner Exfrau getrennt, nach zehn Jahren Ehe. Sie hatten schon länger nicht mehr miteinander gesprochen, und soweit er wusste, war sie noch immer mit dem Lehrer zusammen, dessentwegen sie ihn verlassen hatte. »Es war nicht so, dass wir keine wollten. Es hat einfach nie geklappt.«
Im Wohnzimmer wurde es still.
»Habt ihr versucht herauszufinden, warum es nicht geklappt hat?«
Thorne ließ sich Zeit, den Kaffee umzurühren. »Nein, darüber haben wir nicht gesprochen.« Dabei zuckte er mit den Schultern und fragte sich, wie er sich damals gefragt hatte, als Jan ihn verlassen hatte, ob das mit ein Grund für das Scheitern ihrer Ehe gewesen war. Dass sie keine Kinder hatten. Dass sie nicht darüber sprachen. Beides.
»Schon verrückt, wie Paare die Scheiße in sich hineinfressen«, sagte Louise.
Thorne trug die Tassen hinüber und setzte sich neben sie. »Dumm«, sagte er.
Sie sah ihn an. »Es ist wichtig, dass wir das nicht machen. Dass wir darüber reden.«
»Wir reden doch.«
»Ja.« Sie schaltete den Fernseher wieder ein. »Das ist nur ein Gespräch. Ich versteh nicht, warum wir nicht darüber reden sollen. Das gehört doch dazu, wenn man den anderen besser kennenlernen möchte.«
»Ich finde, wir kennen uns ziemlich gut«, sagte Thorne.
»Ich sag ja nur, das gehört genauso dazu, wie dass man wissen möchte, was der andere mag oder nicht mag und so. In welche Schule bist du gegangen? Wohin fährst du gern in Urlaub? Glaubst du, du möchtest mal Kinder haben?«
»Die ersten zwei Fragen sind leichter zu beantworten.«
»Irgendwann mal.« Sie drückte ihn am Arm und sagte es ganz nett und langsam, damit er sie auch richtig verstand. »Irgendwann mal in der Zukunft, vielleicht , also bitte keine Panik, okay? Ich mein ja nicht mal notwendigerweise mit mir. Bis dahin hab ich wahrscheinlich genug von dir und bin schon längst mit einem anderen zusammen. Das ist rein hypothetisch.«
»Okay.«
»Wir reden nur über Kinder an sich , Tom. Was ist daran so fürchterlich?«
Sie hatte recht, das war Thorne klar. Zumindest theoretisch.
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