Tom Thorne 08 - Die Schuld des Blutes
Spibey immer noch hinten und war versessen darauf, etwas mehr Druck zu machen. Glück war eine
Sache, dachte er, aber er war der weitaus erfahrenste Spieler am Tisch. Und außerdem, dachte er insgeheim, konnte man nicht gerade behaupten, dass die beiden alle Tassen im Schrank hatten.
»Und denkt daran«, sagte er, »Brag unterscheidet sich von Poker, und eine Straße ist höher als ein Flush. Ist das klar?«
Fowler lachte und warf noch ein paar Chips in den Pot. »Ja, ist klar, aber ich glaube, Sie haben weder noch.«
»Psychospiele«, sagte Dowd. »Die Sorte Schwachsinn, die Sie bei Verhören abziehen.« Er schob genug Chips in die Mitte, um mit Spibey gleichzuziehen. »Sehen …«
Spibey nickte nachdenklich, konnte aber ein breites Grinsen nicht unterdrücken, als er seine Straße mit Ass, König und Dame hinlegte. Aus dem Grinsen wurde zufriedenes Glucksen, als Fowler und Dowd ungläubig aufstöhnten und ihre Karten auf den Tisch warfen. Spibey sammelte die Chips ein. »Ihr habt ein völlig falsches Bild von uns Bullen«, sagte er. »Wir sind ehrliche Typen.«
Dowd hatte die Karten eingesammelt und wieder zu mischen begonnen. »Dann sagen Sie uns doch mal ehrlich, wann Sie normalerweise diese Art von Mörder fangen?«
»An diesem Mörder ist nichts normal.«
»Ach?«
Spibey stapelte seinen Gewinn. »Hört mal, ich bin hier nur der Babysitter und bin über die Details nicht informiert.«
»Ach, kommen Sie …«
»Darüber reden Sie besser mit Thorne.«
»Wäre der ehrlich?«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Teilen Sie jetzt endlich aus?«, fuhr Fowler ihn an.
Dowd hob eine Augenbraue und sah Spibey an. »Wann hast du zuletzt deine Pillen genommen, Graham?«
Fowler starrte ihn über den Tisch hinweg an und griff dann nach seinen Zigaretten. »Ich hol mir das alles zurück, Kumpel.« Er deutete auf Spibeys Stapel. »Jeden einzelnen Chip.«
»Ist leicht gesagt, wenn man nicht mit dem eigenen Geld spielt«, sagte Dowd.
»Du kriegst es zurück.«
»Was, du verdealst ein paar Obdachlosenzeitungen?« Fowler lächelte, seine Stimmung schlug schlagartig um. »Wenn wir diese neue Identität bekommen, geben sie uns bestimmt auch etwas Kohle. Damit wir nicht ganz blank dastehen.«
»Das ist doch alles reine Theorie«, sagte Spibey. »Weil ihr null gewinnt.« Er griff nach seinen Karten. »Lasst euch gesagt sein, das ist meine Glückssträhne.«
Fowler zündete sich eine Zigarette an. »Das wird sich ändern«, sagte er.
Fünfunddreißigstes Kapitel
Sandra Phipps war nicht untersetzt, doch jedes zusätzliche Pfund, das sie angesetzt hatte, war deutlich zu sehen. Sie hatte ein rundliches Gesicht und unternahm nichts gegen das Grau in ihrem Haar. Sie bewegte sich langsam und bat Chamberlain in ein kleines, überheiztes Wohnzimmer. »Darf ich Sie zum Tee einladen?«, fragte sie. Ihre Stimme klang tonlos, und wenn sie atmete, war ein leichtes Pfeifen zu hören. »Aber ich brauche vielleicht etwas Stärkeres, also …«
»Tee ist wunderbar«, sage Chamberlain.
»Es ist etwas früh dafür, aber zum Teufel damit.«
Sie wartete in der Tür darauf, dass Chamberlain ihre Meinung änderte. Chamberlain lächelte. In Sandra Phipps Augen blitzte etwas wie Angst auf, und zum ersten Mal, seit sie Tom Thornes Angebot angenommen hatte, bei der Ermittlung mitzuarbeiten, war sie aufgeregt.
»Sind Sie sicher?«
»Ja«, sagte Chamberlain.
Während sie auf Sandra wartete, saß sie in dem abgenutzten, aber bequemen Sessel und betrachtete das Zimmer. Der Fernseher, das Sideboard und der Schrank in der Ecke waren mit Krimskrams und Fotos vollgestellt. Auf dem Sofa lag eine aufgeschlagene TV-Zeitschrift und auf dem kleinen Tisch daneben ein Frauenroman. In einen Erker war ein Aquarium eingebaut. Das Blubbern war gerade
noch über einem wilden Basslauf zu hören, der von oben herunterdröhnte. Dass es sich hier um eine Familie in Trauer handelte, war nicht zu erkennen: nirgends Blumen oder Beileidskarten. Die Tochter trug zwar Schwarz, aber sogar bei ihrem begrenzten Wissen über Teenager ging Chamberlain davon aus, dass Nicola Phipps wohl meist in dieser Farbe rumlief. Und mit diesem mürrischen Gesichtsausdruck.
Als Sandra zurückkam - mit einer Tasse Tee und einer halbleeren Weinflasche -, plauderten sie, bis sie sich beide wohlfühlten. Sandra sagte, sie sei erschüttert, wie unsicher die Straßen in den letzten Jahren geworden waren. Chamberlain stimmte ihr zu und gab ihr recht, als Sandra sich über die Wucherpreise bei
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