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Tonio

Tonio

Titel: Tonio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.f.th. van Der Heijden
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eine Fernsehserie über dessen Leben gecastet. Seine Heirat mit einer Regionalpolitikerin hatte ihn nach Marseille verschlagen, wo er sich jetzt, dank seiner Auftritte in Lokalsendern, allmählich zu einer örtlichen Berühmtheit entwickelte. Darüber hinaus fungierte er als fester Begleiter, Gitarre und Akkordeon, von Jean Nehr, dem provenzalischen Sänger und Ehemann unserer Vermieterin Anneke. Er war in die Villa Tagora gekommen, um mit Jean für eine Serie von Auftritten zu proben. In Kürze wollten sie auch eine Platte aufnehmen.
    Gregory erzählte, er habe Heimweh nach Amsterdam. Wenn er die Chance hätte zurückzugehen, und sei es für noch so kurze Zeit, würde er sich sofort in den Billardclub über dem Kaufhaus Hema in der Ferdinand Bolstraat begeben, in dem er schon zu Jugendzeiten gespielt habe. Er versprach, mir zu gegebener Zeit in Amsterdam eine seiner Langspielplatten vorbeizubringen. »Wenn ich so ein Ding hier mit derPost schicke, kann es sein, daß das Päckchen in irgendeinem überhitzten Lieferwagen in der Sonne liegenbleibt, und dann bekommst du zwei Tage später einen welligen Lakritzpfannkuchen.«
    Mit diesem Versprechen verschwand er in ein kleines Nebengebäude hinter dem Haus für die Probe. Bald war das Stimmen einer Gitarre zu hören. Weil vereinbart war, daß wir am Monatsletzten die Miete für die nächsten vier Wochen bezahlen würden, bat ich Mirjam, Anneke das Geld zu bringen. Sie blieb lange weg: Anneke ließ sich ein Gespräch in ihrer Muttersprache nicht so schnell entgehen. Ich saß an dem kleinen Tisch auf der Terrasse, trank Var-Wein aus dem Karton, lauschte dem wehmütigen Akkordeon Gregorys, neben dem man Jeans unverstärkte Stimme kaum hörte. Mirjams Wegbleiben machte mich ungeduldig (ich wollte ihr meine Geschichte von dem Romanplot erzählen, der mittags unter der brennenden Sonne über mich gekommen war), und gleichzeitig hoffte ich, sie käme vorläufig nicht zurück (vielleicht war mir bewußt, daß meine Ekstase etwas Unechtes und Gefährliches hatte). Der Mond tauchte melonenfarben und unwirklich groß über dem Horizont auf. Die Musik, der Wein, der Mond – mehr brauchte ich nicht.
    »Leer.« Mirjam schüttelte den Weinkarton, in dem nichts mehr gluckste. »Wo läßt du das bloß.«
    Mehr Wein beim Essen. Die Musizierenden mußten ein Fenster oder eine Tür des Probenraums geöffnet haben, denn Jeans Stimme klang jetzt lauter. Die Worte waren sogar zu verstehen. Er sang, soweit ich dem Text folgen konnte, ein rabenschwarzes Lied über eine verhängnisvolle Liebe. Gregory begleitete ihn auf der Mandoline. Die Musik war schleppend und sehr melancholisch.
    Ich versuchte, Mirjam die Handlung meines Anwalts zu erklären. Vielleicht hatte der glühende Ball am Himmel, im Zusammenwirken mit dem Plot, doch einen Sonnenstich in meinen Schädel gerammt: Ich bekam sie nicht mehr zusammen, aber Mirjam zeigte sich entzückt über meine Fortschritte, auch wenn sie auf Kosten meiner Gesundheit gingen.
    Das nächste Stück, von Gregory wieder auf dem Akkordeon begleitet, wurde in irgendeinem okzitanischen Dialekt gesungen, von dem ich kein Wort verstand. Der Melodie nach zu urteilen, in tiefem Moll, stand es in diesem Text noch tragischer um die Liebe. Bei Kaffee und Cognac hörte ich mich auf einmal ein altes Thema anschneiden. Es war so lange nicht zur Sprache gekommen, daß ein schweres Tabu darauf zu lasten schien.
14
     
    Ein Kind. Das Kind. Unser Kind.
    »Minchen, ich hab lange nichts von dir über Duweißtschonwas gehört. Das Unsagbare.«
    Falls dies, durch die mühsamen Verhandlungen der zurückliegenden Jahre klug geworden, ein Versuch war, die Sache etwas neckend anzusprechen, als nähme ich sie nicht ganz ernst, so schlug er offenbar fehl. Vielleicht war ich den ganzen Abend schon zu hochgestimmt für Scherze gewesen.
    »Natürlich will ich gern ein Kind«, sagte Mirjam. »Aber ich will auch etwas erreichen. Etwas tun.«
    Einfach so, mit einemmal. Sie gab ihren Widerstand nicht völlig auf, aber es war das erste Mal, daß sie ihren eigenen Wunsch offen eingestand. Etwas federte in mir auf. Jetzt die Situation konsolidieren.
    »Ich würde sagen … bekomm dann doch erst das Kind. Beende während der Schwangerschaft dein Studium, fang an mit dem Schreiben und so … und schau zu, daß du danach, wenn du nicht mehr stillst, einen Job findest. Dann kann ich mich tagsüber um das Kind kümmern.«
    Die einzige Lichtquelle, abgesehen vom Mond, war eine Kerze auf dem kleinen

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