Top Secret - Der Auftrag
erinnern.«
»Wie kommt es, dass ihr zwei alleine leben dürft?«
»Wir waren in Pflegefamilien, aber da Dave gerade siebzehn geworden ist, zieht er in eine eigene Wohnung. Ich darf probeweise bei ihm wohnen, aber eine Sozialarbeiterin wird ein paarmal die Woche nach uns sehen.«
Hanna kicherte. »Damit ihr es nicht zu wild treibt.«
»Hm, fürchte ich auch«, meinte James, hielt vor seiner Wohnungstür an und drückte auf den Klingelknopf. Von drinnen erklang Musik.
»War nett, dich kennenzulernen, James. Ich denke, wir sehen uns.«
James lächelte. »Hast du etwas vor? Willst du kurz reinkommen und meinem Bruder Guten Tag sagen?«
»Warum nicht?«, meinte Hannah achselzuckend.
Als Dave die Tür öffnete, schlug ihnen Baba O’Riley
von The Who entgegen. Dave trug nur ein paar Cargo-Shorts.
»Wo ist dein Schlüssel?«, fragte er.
»Im Arsch«, gab James gereizt zurück. »Was glaubst du denn? Ich hab ihn vergessen. Wenn du das nächste Mal versuchst, nicht die ganze Nachbarschaft taub zu machen, dann hörst du mich vielleicht auch unten klingeln.«
Dave rannte ins Wohnzimmer und drehte die Musik leiser, damit sie einander verstehen konnten. Dann schüttelte er Hannahs Hand und sie schmolz dahin.
»Schön, dich kennenzulernen, Dave.«
James hatte schon drei richtige Freundinnen gehabt und mit ein paar Mädchen auf Partys herumgemacht. Für seine dreizehn Jahre war das nicht schlecht, fand James, aber auf Dave wurde er richtig neidisch. Wenn Dave Mädchen traf, wurden sie knallrot und kicherten über jeden seiner Witze. Er hatte eine Reihe von wunderschönen Freundinnen, doch nach Meinung der meisten Leute auf dem Campus behandelte er sie alle mies.
»Woher hast du die Narbe auf deiner Brust?«, erkundigte sich Hannah und hielt mit ihrem Zeigefinger ein paar Zentimeter vor Daves Körper an, als sei er ein schönes Kunstwerk, das man nicht berühren durfte.
»Ich hatte vor ein paar Monaten ein Blutgerinnsel in der Brust«, erklärte Dave. »Man musste einen Tubus einführen, um ihn abzusaugen.«
»Igitt«, schrak Hannah zurück.
»Hat meine Chancen auf eine Modelkarriere beendet«, scherzte Dave.
»Ich bring mal lieber die Lebensmittel in den Kühlschrank, bevor sie verderben«, erklärte James.
»Gute Idee«, fand Dave. »Warum machst du uns dreien nicht einen Tee, wenn du schon in der Küche bist?«
Wäre Hannah nicht dabei gewesen, hätte Dave für seine Frechheit etwas zu hören bekommen, doch so ging James in die Küche und setzte Wasser auf. Als er die Lebensmittel wegräumte, sah er über die Kühlschranktür hinweg Hannah in der Tür stehen.
»Ich kann nicht bleiben«, erklärte sie. »Ich muss vor heute Abend noch Hausaufgaben machen.«
»Was hast du denn vor?«, erkundigte sich James grinsend. »Heißes Date?«
Hannah schüttelte den Kopf. »Am Ende des Viertels liegt ein großer Speichersee. Bei schönem Wetter sind viele von den Kids dort. Man hängt einfach nur herum, aber wenn ihr wollt, könnt ihr gerne kommen. Wir holen uns was zu trinken und ich stelle euch ein paar von den anderen vor.«
James nickte. »Ja, gerne. Ich muss mich dafür nicht extra hübsch machen oder so?«
»Na ja, du könntest das Arsenal-Shirt loswerden«, meinte Hannah, steckte zwei Finger in den Mund und tat so, als müsse sie sich übergeben. »Könnte meinem Ruf ernsthaften Schaden zufügen, wenn ich mich mit einem Blödmann abgebe.«
15
Die Jungen aßen ihre Mikrowellen-Lasagne vor dem Fernseher mit der verbogenen Zimmerantenne, als Dave Sonya Tarasov am Fenster vorbeigehen sah. Er stolperte über James’ Füße, rannte aus dem Zimmer, durch den Flur und aus der Haustür hinaus. Er lief hinter Sonya her und tippte ihr auf die Schulter.
»Hi Melanie«, rief er begeistert.
Sonya wandte sich um. Sie war unscheinbar und leicht übergewichtig und hatte ein rundes Gesicht.
»Ich bin nicht Melanie«, sagte sie gereizt.
Dave schlug die Hände vors Gesicht und tat verlegen. »Entschuldige«, stieß er hervor. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Es ist nur … du siehst einer früheren Freundin von mir zum Verwechseln ähnlich.«
James schlich mit seiner Lasagne auf den Flur und belauschte das Gespräch, während er weiteraß. Sobald Sonya erkannte, dass sie es nicht mit einem Verrückten zu tun hatte und Dave ziemlich gut aussah, setzte sie ein breites Lächeln auf.
»Schon gut«, meinte sie, »ist mir auch schon mal passiert.«
»Ich hätte mir ja denken können, dass es zu schön ist, um wahr zu
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