Top Secret - Der Auftrag
einer gesprungenen Glasplatte standen.
Dave nickte. »Du hast ja die Unterlagen gelesen. Kinder, die von der Fürsorge entlassen werden, bekommen einen Zuschuss von dreihundert Mäusen für Möbel. Wir können nächste Woche zu Ikea fahren und uns ein paar Sitzsäcke oder so kaufen, aber nichts Aufwendiges.«
James setzte seine Inspektion fort. Die Küche und das Bad waren annehmbar, aber im großen Schlafzimmer standen nur ein Kleiderständer aus Metall und ein nagelneues Bett. Der Teppich war flamingorosa und an den Wänden hing Velourstapete.
»Krass«, stellte James fest.
Dave drängte sich hinter ihm in den Raum. »Das andere Zimmer ist weiß. Willst du lieber das?«
James zuckte mit den Achseln. »Okay.«
»Cool.« Dave grinste und ließ sich auf das Doppelbett fallen. »Hier drin werde ich jede Nacht ein anderes Mädchen haben.«
James grinste kopfschüttelnd zurück. »Glaubst du wirklich?«
James’ Zimmer war kleiner, hatte etwas von einem Mädchenzimmer, und ein Einzelbett stand darin. Es machte James ein wenig traurig, da es ihn an sein altes Kinderzimmer erinnerte, damals, als seine Mutter noch
lebte. Als er sich auf die Matratze setzte, die noch in Plastik eingeschweißt war und an der noch das Preisschild hing, dachte er daran, wie er mit den Fäusten an die Wand gehämmert hatte, um Lauren und ihre Freundinnen zur Ruhe zu bringen, wenn sie eine Überraschungsparty gefeiert hatten, oder wie das Schnarchen seiner Mutter durch die Wand gedröhnt hatte.
Bis sie zehnmal die Treppe rauf und runter gerannt waren, um ihre Sachen in die Wohnung zu bringen, war James durchgeschwitzt. Er duschte und zog sich saubere Shorts und ein Arsenal-T-Shirt an. Ein paar Dosen Cola und etwas Junkfood hatten sie vom Campus mitgebracht, aber die Jungs brauchten noch Milch und andere frische Lebensmittel. Auf dem Weg hatten sie einen Sainsbury-Laden gesehen, zu dem sich James aufmachte, während Dave unter der Dusche stand.
Zunächst packte er einen Vorrat an Brot, Milch und Cornflakes in den Einkaufswagen, dann schlenderte er zu den Fertiggerichten. Er nahm ein paar chinesische Essen für die Mikrowelle mit, ein paar Pastagerichte und ein paar Currys für Dave. Bei seiner Rückkehr auf den Hof ihres Wohnhauses konnte er einen ersten Blick auf einen der Tarasovs werfen: Der dreizehnjährige Max zischte mit seinen Kumpels auf Fahrrädern an ihm vorbei.
James erreichte die verschlossene Sicherheitstür am Treppenaufgang und stellte fest, dass er beim Umziehen seinen Schlüssel in der anderen Hose vergessen hatte.
Also drückte er auf den Klingelknopf an der Sprechanlage für ihre Wohnung und wartete. Nach einer halben Minute drückte er den Knopf noch einmal und rief gereizt in den Lautsprecher: »Dave! Lass mich rein!«
Nach weiteren dreißig Sekunden wurde James ziemlich ungeduldig. Er sah auf die Uhr, und da er der Meinung war, dass Dave unmöglich noch unter der Dusche sein konnte, hämmerte er auf den Klingelknopf und schrie: »Dave, du Blödmann! Mach gefälligst auf! Bist du taub oder was?«
Aus dem ersten Stockwerk genau über James’ Kopf erklang eine Mädchenstimme: »Hast du dich ausgesperrt?«
James trat einen Schritt zurück, damit er das Mädchen besser sehen konnte. Sie mochte etwa ein Jahr älter sein als er selber.
»Mein Bruder lässt mich nicht rein. Entweder ist er plötzlich taub geworden oder er will mich ärgern.«
Das Mädchen lächelte. »Ich mach dir auf.«
Durch das Sicherheitsglas in der Tür sah James sie die Treppe herunterkommen. Zuerst ein Paar Flip-Flops und rosa lackierte Zehennägel, dann folgten gebräunte Beine und ein kurzer Jeansrock. Sie lächelte James herzlich durch das Glas an und warf ihr langes Haar zurück, als sie die Tür entriegelte.
»Cheers.« James lächelte zurück.
»Ich habe gesehen, wie du mit dem anderen Jungen in die Wohnung eingezogen bist. Ich bin Hannah, ich wohne zwei Türen weiter.«
»James«, stellte er sich vor und folgte dem Mädchen mit einer Sainsbury-Tüte in jeder Hand die Treppe hinauf. »Der andere ist mein Bruder Dave.«
»Ich hab nur euch beide gesehen. Wo sind eure Eltern?«
»Sechs Fuß unter der Erde«, erwiderte James, als sie den Treppenabsatz erreichten und auf den halbdunklen Außengang traten.
»Oh... das tut mir leid.«
James erkannte, dass er diese Information wohl etwas zu unbeteiligt hervorgebracht und Hannah damit schockiert hatte. »Ich war vier Jahre alt«, erklärte er. »Ich kann mich kaum an sie
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