Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
Bitte und gestikulierte, als würde sie sich Schuhe anziehen. Der Schläger brachte Ning in einen Gang. Dort lehnte ihr Rucksack an der Wand, und es sah aus, als hätte man ihn auseinandergenommen und die Kleidung auf dem Boden verteilt.
Anders als im Tanzsaal und dem Pausenraum gab es hier Fenster. Ning hatte jegliches Zeitgefühl verloren und stellte überrascht fest, dass es dunkel war.
Sie nahm ihre Ersatzschuhe aus der Tasche und lehnte sich an die Wand. Es tat unweigerlich weh, als sie ihren verletzten Fuß in den Schuh zwängte, und hinterher schmerzte ihre Zehe noch mehr als vorher, aber in Socken konnte sie ja schlecht flüchten.
Als sie in den Pausenraum zurückkehrten, erhaschte Ning einen Blick auf Ingrid. Sie hatte den Laptop vor sich stehen. Leonid saß auf der Schreibtischkante und sah aufmerksam zu, während der Teenager an der Wand lehnte und sich sichtlich unwohl fühlte.
Nings Wächter schien Geschmack an den Partyhäppchen gefunden zu haben, und als sie sich wieder umdrehte, sah er in den Kühlschrank und stopfte sich noch mehr Essen in den Mund. Sie dachte daran, dass Ingrid gesagt hatte, sie solle jede Chance zur Flucht nutzen, und würde es je eine bessere geben als jetzt, wo der Schläger mit dem Kopf im Kühlschrank steckte?
Sie stand auf, ging vorsichtig auf den Gang zu und tastete nach Kubans Messer in ihrer Tasche, doch sie hatte kein gutes Gefühl dabei, da sie nicht wusste, wie sie es am besten einsetzen sollte.
»Ich habe etwas vergessen«, meinte sie leichthin und ging zum Gang.
Sie hatte noch keine zwei Schritte aus dem Pausenraum gemacht, als sie der Mann im Genick packte.
»Njet«, sagte er streng.
Er war mehr als doppelt so schwer wie Ning, daher hatte sie nur einen einzigen Versuch. Sie packte ihre ganze Kraft, Wut und alles, was sie in den vier Jahren an der Sportakademie von Dandong gelernt hatte, in einen einzigen wilden Schlag.
Die Nase des Schlägers explodierte. Er stolperte zurück und Ning trat durch den Blutnebel vor und schlug ihn ein zweites Mal, diesmal an die Schläfe. Er glitt bewusstlos und um zwei Zähne ärmer an der Wand hinunter. Ning sah sich um. Sie hatte eine Menge Lärm gemacht und erwartete halb, Leonid auf sie zurasen zu sehen, doch offensichtlich hatte man es nicht beachtet. Mit etwas Glück hatte sie ein paar Minuten Zeit, bevor jemand kam und den Schläger fand.
Ning knöpfte seinen Mantel auf, enttäuscht, keine Waffe zu finden. Sie nahm ihm seine Brieftasche weg und schnappte sich ihren eigenen kleinen Rucksack. Sie wusste zwar nicht, wie viel von ihren Sachen noch darin war, aber sie hatte auch keine Zeit, nachzusehen.
Jetzt musste sie nur noch herausfinden, wohin sie laufen sollte. Ein Ende des Ganges führte zu dem Club, durch den sie auf dem Weg hierher gegangen waren. Er war leer gewesen, aber jetzt war es Abend, und sie hörte hämmernde Musik.
Also ging sie in die andere Richtung auf eine Tür zu. Wegen der Lichtreflexionen von drinnen konnte sie nur schwer etwas erkennen, aber offenbar führte sie nach draußen. Durch das Glas erkannte sie eine Feuertreppe, die auf den Hof führte, auf dem sie angekommen waren.
Das Tor würde verschlossen sein, aber nicht unüberwindlich. Wenn die Müllsammlerin, die Kuban zusammengeschlagen hatte, hereingekommen war, dann konnte Ning auch hinauskommen. Sie drückte die Türklinke herunter und gab der Tür einen Stoß. Mit ein wenig Mühe bekam sie sie auf und humpelte hinaus auf die Metallstufen.
20
Die Luft war feucht und das einzige Licht fiel durch die Fenster des Clubs. Ning musste sich jeden Schritt erkämpfen und stützte sich schwer auf das Geländer, um ihren verletzten Fuß zu entlasten. Als sie den geschotterten Hof erreichte, sah sie, dass eine Gruppe übel aussehender Männer den Durchgang zur Vorderseite des Gebäudes versperrte, daher humpelte sie geduckt zwischen den geparkten Autos zum hinteren Tor.
Es war ein paar Meter hoch und hing zu tief, als dass sie darunter hätte durchschlüpfen können. Sie zog am Drahtzaun in der Hoffnung, eine lose Stelle zu finden, durch die sie sich zwängen könnte. Da sie nicht so viel Glück hatte, wandte sie sich den Müllcontainern zu. Es waren große Aluminiumtonnen, etwa zwei Meter hoch. Ungefähr in der Mitte saßen Griffe.
Ning wollte eine Tonne zum Tor schieben, daraufklettern und von dort aus über das Tor springen. Wäre sie fit gewesen, hätte das nur Sekunden gedauert, doch ihre Zehe und ihr verbrannter Bauch verursachten ihr
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