Top Secret. Der Clan: Die neue Generation 1 (German Edition)
zu einer fiesen Clique zusammengeschlossen, die sich aufführte, als seien sie etwas Besseres. Besonders gegenüber den Neuankömmlingen, die sich mit dem Keller begnügen mussten.
»Raus!«, schrie eine auf Chinesisch, als sich Ning umsah.
Eine der vier duschte gerade, eine andere trocknete sich ab, eine saß mit den Jeans um die Knöchel auf der Toilette und eine lehnte am Waschbecken und rauchte.
»Wie lange braucht ihr denn noch?«, fragte Ning.
Das Mädchen am Waschbecken schnippte Ning die Zigarettenasche zu und behauptete: »Wir bleiben, solange wir wollen. Willst du, dass ich die auf deinem Arm ausdrücke?«
»Verschwinde«, verlangte die mit dem Handtuch und stieß Ning mit dem Fuß Richtung Tür. »Hast du nicht kapiert?«
Ning fühlte sich gedemütigt, als sie wieder auf den Gang trat, während die vier Frauen im Bad lachten.
»Wie alt ist die eigentlich?«, erkundigte sich eine von ihnen boshaft. »Die hat ja noch nicht mal Titten.«
»Du doch auch nicht«, gab eine andere zurück und brüllte erneut vor Lachen.
Ning musste auf die Toilette und wäre am liebsten in das leere Zimmer der vier gegangen und hätte auf den Teppich gepinkelt, aber sie brauchte keine vier neuen Feinde, daher ging sie wieder in den Keller wie ein braves Mädchen und stellte sich in die Schlange vor der schmutzigen Toilette.
Nach weiterem Gedrängel in der Küche, um Frühstück zu bekommen, redete Ning mit Mei, während sie die Kleidung vom Vortag anzog.
»Was glaubst du, wann wir bezahlt werden?«
Mei lachte.
»In einem Monat, wenn wir Glück haben. Sie versprechen es immer und halten einen dann hin. So behalten sie einen da, auch wenn man seine Schulden schon bezahlt hat. Als ich das erste Mal ausgewiesen wurde, habe ich den Lohn für fünf Wochen verloren. Als ich das erste Mal nach Großbritannien kam, habe ich drei Wochen lang Obst gepflückt. Wir waren etwa sechzig und keiner von uns hat auch nur einen Penny dafür gesehen.«
»Hast du dich nicht beschwert?«
»Bei wem denn?«
»Werden die Gangster, die deine Reise bezahlt haben, denn nicht wütend?«
»Das funktioniert so, Kindchen«, erklärte Mei. »Der Boss in der Sandwichfabrik bezahlt die hiesigen Gangster für die Frauen, die er braucht.«
»Wer sind denn die hiesigen Gangster?«
»Die Leute, die uns von unseren Schichten hin- und zurückfahren und Häuser wie dieses hier besorgen und Leo dafür bezahlen, dass er auf uns aufpasst.«
»Ich dachte, diese Kerle arbeiteten für den Fabrikchef.«
Mei schüttelte den Kopf. »Der Fabrikchef ist nur ein Geschäftsmann, der billige Arbeitskräfte braucht. Also bezahlt er die hiesigen Gangster, und zwar pünktlich, wenn er keine Prügel will. Die Gangster hier in Großbritannien bezahlen fünfundsiebzig Prozent von dem, was ich verdiene, an die Gangster in China, die meine Reise bezahlt haben. Die Händler in China werden bezahlt, weil ohne sie der Nachschub zusammenbrechen würde. Und rate mal, wer als Letzter bezahlt wird?«
»Wir?«, seufzte Ning.
Mei nickte. »Wir werden bezahlt, wenn den hiesigen Gangstern danach ist, und wenn du zu oft nachfragst, beziehst du Prügel, weil du sie nervst.«
»Ich habe mir heute Nacht etwas überlegt«, erklärte Ning leise, damit die andere Frau im Zimmer sie nicht hören konnte. »Für mich gibt es keinen Grund, hierzubleiben, ich dachte nur, dass ich ein wenig englisches Geld hätte, um zu reisen, wenn ich bis zum Zahltag hierbleibe.«
»Was willst du denn tun?«, fragte Mei.
»Ich dachte, ich könnte nach Bootle und versuchen, Ingrids Schwester zu finden. Ich erzähle ihr, was passiert ist, und sie kann mir hoffentlich helfen. Wenn das nicht funktioniert, gehe ich zur Polizei und stelle mich. Da Ingrid mich legal adoptiert hat, kann ich Anspruch auf die britische Staatsbürgerschaft erheben.«
»Bist du dir da sicher?«, zweifelte Mei.
Ning nickte. »Ingrid und mein Stiefvater haben darüber gesprochen, dass sie noch ein paar Jahre weiterarbeiten und dann nach England zurückkehren und in ein großes Haus auf dem Land ziehen wollten.«
»Was für ein schöner Traum«, meinte Mei und sah auf ihre Plastikuhr. »Es wird Zeit, nach oben zu gehen.«
Die zwanzig Frauen warteten oben im Flur, während der weiße Lieferwagen rückwärts in die Auffahrt einbog. Während der Fahrer die hinteren Türen aufmachte, nahm Leo, der brutale Chinese, der das Haus führte, eine Kette von der Tür und schloss ein Steckschloss auf.
Sobald sich die Tür öffnete, strömten die
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