Top Secret - Die Mission
gar
keine Zeit gehabt hatte, sich zu überlegen, was sie mit dem Jungen machen sollte, wenn sie ihn erwischt hatte. Sie konnte ihn zum Haus zurückschleifen und die Polizei rufen, doch dann würde es gleich eine große Sache werden, und Ryan hätte es bestimmt nicht gerne, wenn die Bullen im Haus herumschnüffelten. Ihre Nahkampfausbildung ließ ihr verschiedene Optionen; sie konnte den Jungen k. o. schlagen, ihm den Arm brechen oder ihn sogar umbringen. Das war alles übertrieben, aber immerhin hatte der Typ einen Ziegelstein durch ihr Fenster geworfen und ihr ins Gesicht gespuckt, daher war sie nicht bereit, ihn nur mit einer Warnung davonkommen zu lassen.
»Steh auf, du Depp«, verlangte Lauren und lockerte ihren Griff.
Der Junge hatte keine Ahnung, dass Lauren zwei Jahre fortgeschrittenes Nahkampftraining hinter sich hatte und dachte, seine Gegnerin sei lediglich ein kleines Mädchen, das Glück gehabt hatte. So trat er zu, als Lauren aufstand, und sein Timberland-Stiefel knallte schmerzhaft gegen ihr Schienbein.
Lauren konterte schonungslos. Sie griff nach seinem Handgelenk, drückte den Absatz ihres Schuhs zwischen seine Schulterblätter und verdrehte seinen Arm in einem schmerzhaften Fesselgriff.
»Du hältst dich wohl für besonders stark, was?«, fragte Lauren und blickte finster auf ihren Gegner hinunter. »Noch eine Drehung, und du kannst deinen
Kumpeln erklären, wie dir ein Mädchen den Arm gebrochen hat.«
»Bitte!«, jammerte der Junge, als Lauren ihren Griff verstärkte, bis die Schulter fast aus dem Gelenk sprang.
»Keine Mätzchen, wenn ich dich diesmal loslasse, klar?«
»Ja!«, stieß er hervor.
Sobald Lauren losließ, rollte er sich auf den Rücken, blickte ergeben zu ihr auf und rieb sich die schmerzende Schulter.
»Schicke Stiefel«, stellte Lauren mit einem Blick auf die fast neuen Timberlands an den Füßen ihres Gegners fest. »Welche Größe hast du?«
»Fünfunddreißig.«
»Das reicht. Gib sie mir. Und deine Hose auch.«
Der Junge zögerte einen Moment, und Lauren begann, selbstbewusst zu lächeln.
»Du hast die Wahl, Kumpel: Entweder du ziehst sie aus, oder ich prügle dir erst die Seele aus dem Leib und ziehe sie dir dann selbst aus.«
Der Junge beugte sich vor und knotete seine Stiefel auf. Danach öffnete er den Gürtel und wand sich aus seiner Hose.
»Gib her!«, verlangte Lauren, griff nach der schwarzen Hose und durchsuchte die Taschen.
Sie warf seinen Haustürschlüssel auf den Boden und wischte sich mit einem seiner sauberen Taschentücher die Spucke aus dem Gesicht. Dann knöpfte
sie die hintere Tasche auf und zog eine Nylon-Brieftasche heraus.
»Sieh mal einer an«, sagte sie, riss den Klettverschluss auf und studierte die Sportverein-Mitgliedskarte und den Busfahrschein darin. »Stuart Pierce, geboren 8. Mai 1994, wohnhaft Nicholson Villas 29, Corbyn Copse, Avon. Das Bild ist nicht sehr schmeichelhaft, was?«
Lauren warf Stuart die Brieftasche an den Kopf. In Socken und Unterhose wirkte er hilflos und den Tränen nahe. Sie rollte die Hose zu einem Ball zusammen und warf sie hoch hinauf in den nächsten Baum, wo sie an einem Ast hängen blieb, sich entfaltete und die Hosenbeine mehrere Meter außer Reichweite im Wind flattern ließ.
»Solltest du oder einer deiner Kumpels noch mal in der Nähe unseres Hauses auftauchen, breche ich dir alle Knochen«, drohte Lauren, bückte sich und hob die Stiefel auf. »Und vielen Dank dafür - die sind genau das, was ich brauche.«
Lauren sprühte die Stiefel sorgfältig mit Deodorant aus und trug zwei Paar Socken darin, weil sie ein bisschen zu groß waren. Kyle, James und sie mussten mit dem Bus zur Schule fahren, und James kicherte immer noch, als sie zusammen zur Haltestelle gingen.
»Stell dir mal vor, in Unterhose nach Hause laufen
zu müssen!« James gluckste. »Du bist ein böses Mädchen, Lauren!«
»Na ja, er hätte mich mit dem blöden Ziegelstein echt verletzen können - außerdem hat mir die kleine Ratte ins Gesicht gespuckt! Aber … vielleicht habe ich mich tatsächlich ein bisschen zu gut amüsiert. Es stimmt schon, wenn man sagt, dass einem Macht schnell zu Kopf steigt.«
»Könnte Ärger geben, wenn er petzt«, überlegte James.
Lauren schüttelte den Kopf. »Das wird er auf keinen Fall, James. Wenn er petzt, dass ich seine Stiefel geklaut habe, dann kriegt er wegen des Steins im Fenster Ärger, was zehnmal schlimmer ist.«
»Ich weiß, wer das ist«, sagte Kyle triumphierend.
»Wer?«, fragte
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