Topchter der Köingin Tess 1
und der Wirt seufzte. »Ich bringe Euch Euer Brot«, sagte er zurückhaltend. »Für ein wenig mehr könnt Ihr Bier statt Wasser haben.«
Duncan nickte, bemerkte meine missbilligende Miene und runzelte die Stirn. »Ein Bier wird mir den Kopf schon nicht so wirr machen, dass ich nicht mehr verhandeln kann.«
»Ich dachte eher an das Geld«, murmelte ich, und vor ungewohnter Verlegenheit wurde mir heiß.
Der Mann in der Schürze richtete sich auf. »Nun, ich kenne jeden hier in der Gegend. Vielleicht kann ich Euch behilflich sein.«
Duncan stützte einen Ellbogen auf den Schanktisch und beugte sich verschwörerisch vor. »Man hat uns gesagt, wir könnten den Kapitän der Strandläufer hier finden?«
Ich wand mich innerlich. Er packte das ganz falsch an. Die Frau hörte eigentlich gar nicht richtig zu, aber weil er gleich damit herausplatzte, würde sie sich monatelang an uns erinnern.
Der Blick des Wirts glitt in die Ecke bei der Feuerstelle. »Ja, allerdings«, sagte er. »Aber wenn Ihr Geschäfte mit Kapitän Borlett zu erledigen habt, wartet Ihr lieber, bis er ein paar Humpen geleert hat.« Der Mann grinste hämisch, und sein fleckiger Bart legte sich in Falten. »Er sitzt über seinen Büchern, der Ärmste.«
Duncan grinste verständnisvoll. »Wir sprechen trotzdem gleich mit ihm.«
Ich stupste ihn entnervt mit dem Stiefel an, und er warf mir einen finsteren Blick zu. In einer Viertelstunde würde der ganze Schankraum wissen, dass wir es eilig hatten. Duncan hatte soeben dafür gesorgt, dass der Preis für unsere Überfahrt noch gestiegen war.
Der Wirt zuckte mit den Schultern. »Wie Ihr wollt.«
Er blickte zu dem Tisch ganz hinten. Die Männer hatten zu singen begonnen, und ein kräftig gebauter Mann im wadenlangen blauen Mantel, der in einer stillen Ecke saß, schlug mit der Faust auf den Tisch. »Haltet endlich den Mund, ihr Klumpen Bilgenschleim!«, brüllte er mit einer Stimme, die stark genug war, jeden Sturm zu übertönen. »Seht ihr denn nicht, dass ich denken muss? Raus mit euch! Geht rüber ins Hurenhaus, wo ihr hingehört.«
Die Gruppe zerstreute sich rasch. Die meisten verdrückten sich mit einem leisen Wort der Entschuldigung aus der Wirtsstube. Einen stockbetrunkenen Kameraden ließen sie in einer Pfütze seines eigenen Speichels an einem der Tische zurück. Die Männer, die an mir vorübergingen, waren dünn und drahtig oder massig und kraftstrotzend, doch alle strahlten etwas Ungezähmtes aus, das ich durchaus anziehend fand – ich war froh, dass Duncan bei mir war.
Der Wirt nahm einen vollen Humpen und schob sich durch die hinausdrängenden Seeleute zu dem kräftigen Mann im blauen Rock. Das musste Kapitän Borlett sein. Der Wirt flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr, und der Mann beäugte uns unter einem verblassten blauen Hut hervor. Ich erschauerte und hätte selbst nicht sagen können, warum.
»Bücher?«, brummte Duncan. »Seine Laune wird sich nicht bessern, ganz gleich wie viel er trinkt.«
Ich stimmte missmutig zu und folgte Duncan durch den nun viel ruhigeren Raum. Der Gesang hob draußen auf dem Hof wieder an. Der Kapitän seufzte deutlich sichtbar und fuhr sich mit einer Hand über Augen und Gesicht. Schließlich krallte er die Finger mit weißen Knöcheln in seinen kurzen, grauen Bart.
»Halte du besser den Mund«, sagte ich, als wir uns dem Tisch näherten. »Ich mache das.«
Duncan gab einen verächtlichen Laut von sich. »Ich kann mehr als nur Karten spielen, Tess.«
Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Das glaube ich gern, aber ich habe in den vergangenen zehn Jahren nichts anderes getan, als Dinge zu kaufen.«
Er holte Luft, um zu protestieren, nickte aber dann mit nachdenklicher Miene. »Wird er denn mit dir sprechen?«, fragte er. »Der Seemann wollte doch nicht.«
Ich war mir ziemlich sicher und nickte. Der Kapitän eines ordentlichen Handelsschiffs war im Allgemeinen ein gebildeter Mann, der eine bedauerliche Vorliebe fürs Abenteuer entwickelt hatte. Er war kultiviert und in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen und stand ein gutes Stück über seiner abergläubischen Mannschaft. Er konnte lesen und schreiben und mit Zahlen umgehen, denn er musste seinen Geldgebern beweisen, dass er Gewinn erwirtschaftete. Er hob sich oft so stark von seiner Mannschaft ab, dass viele Kapitäne eigens Quartiere für Passagiere einrichteten, um während langer Überfahrten abwechslungsreiche Unterhaltung zu haben, auf die bei ihrer Mannschaft keine Hoffnung
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