Topchter der Köingin Tess 1
die Sorgen und Enttäuschungen meiner eigenen Kindheit lächerlich.
»Der Mann, den Lan beraubt hatte, wollte mich hängen sehen, und dazu wäre es auch gekommen. Aber in dieser Nacht hat es wahre Fluten geregnet, und Lan hat mich aus dem Pranger befreit. Hat noch erwartet, dass ich ihm dafür danke.«
»Das tut mir leid«, flüsterte ich. Ich war so ichbezogen, dass mir davon beinahe schlecht wurde.
Er zuckte mit den Schultern, schien mir jedoch allzu unbekümmert. »Eines Tages … eines Tages werde ich eine Möglichkeit finden, mich zu rächen. Er wird dafür bezahlen, was sie mir angetan haben.« Seine ruhige, gefasste Stimme stand in scharfem Gegensatz zu seinen Worten. Es war ein alter Hass, längst ohne Leidenschaft ausgesprochen. Es war beinahe, als hörte er sich selbst nicht richtig zu. Auch seine Hände fassten nun sanfter zu, denn meine Muskeln waren viel entspannter.
Plötzlich wurden meine Gesichtszüge starr. Die Absicht hinter seinen Berührungen hatte sich verändert. Sie waren jetzt tiefer, langsamer. Und sie enthielten die stumme Frage nach der Aussicht auf mehr.
Hitze flackerte in mir auf. Mein Blick schoss hoch und begegnete dem seinen, und mir fiel auf, wie nahe er mir war. Seine Augen waren dunkel und mir schon einen gedanklichen Schritt voraus. Er wartete ab, was ich tun würde, während ich an der Arbeitsfläche lehnte und den Unterschied in seinen Händen offensichtlich gespürt, mich aber noch nicht gerührt hatte.
Seine Bewegungen wurden noch langsamer, seine Berührung fester, fordernder. Mein Herz pochte. Plötzlich wollte ich zu gern wissen, wie es sich anfühlte, einen Dieb zu küssen, einen gefährlichen, gerissenen Dieb, der weder ungeschickt herumtastete noch sich sorgte, wer uns ertappen mochte. Jemand, der wusste, was er tat, und keine Scham dabei empfand.
Er war größer als ich, aber ich bräuchte nur leicht den Kopf nach oben zu neigen. Mit angehaltenem Atem richtete ich mich auf. Mein Kinn hob sich, meine Lippen teilten sich.
Erst jetzt flackerte die Glut in seinen Augen, als könnte sie erlöschen, und seine Hände hielten inne. »Du bist eine Prinzessin«, flüsterte er. Offenkundig hatte er meine Einladung erkannt. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich bin seit sieben Tagen keine Prinzessin mehr«, entgegnete ich. »Und ich habe schon zuvor Männer geküsst.«
Er sagte nichts, doch sein zweifelnder Blick brachte mich dazu, die Hand zu heben, sie in seinen Nacken zu legen und seinen Kopf zu mir herabzuziehen. Es war doch nur ein Kuss.
Sein Bart kratzte mich, ein köstlicher Kontrast zu seinen Lippen, die so weich auf meine trafen. Ich entspannte mich und überließ mich dem wunderbar warmen Gefühl. Wie von selbst schlossen sich meine Augen, und unter seinen Händen, die mich an den Schultern hielten, schmolz meine Verspannung dahin. Er schmiegte sich an mich und zog den Kuss in die Länge. Ich ging bereitwillig darauf ein, teilte die Lippen und schob mich ihm entgegen. Meine Hand strich über seinen Rücken und hielt knapp über seiner Hüfte inne.
Langsam wich ich zurück, und er beugte sich vor und folgte mir, bis sich unsere Lippen voneinander lösten. Ich öffnete die Augen und sah, dass er auf mich wartete. Mit hämmerndem Herzen ließ ich meine Hand, wo sie war, und spürte seine Hitze durch das dünne Hemd. Das war ein sehr schöner Kuss gewesen. Viel schöner als mein letzter, obwohl Duncan stark nach Hühnchen und Kartoffeln roch.
Seine Augen blitzten vor Überraschung. »Du hast tatsächlich schon Männer geküsst.«
Ich lächelte verschmitzt. Glaubte er denn, dass der Hochadel weniger liebestoll war als das gemeine Volk? Wir waren womöglich noch toller, weil wir stets so diskret sein mussten – und Prinzessinnen ganz besonders. »Das war eben nur ein Kuss«, sagte ich und glaubte es selbst.
Er nickte, und sein beredter Blick drückte ein intensives Gefühl aus. »Nur ein Kuss.«
Trotzdem hielt ich den Atem an, als er die Hand an meine Wange schmiegte und sich vorbeugte. Ich erlaubte ihm, mich an sich zu ziehen, und schloss die Augen, als er den Kopf senkte und mich erneut küsste. Nun stieg dieses warme Gefühl viel stärker in mir auf. Ich sog scharf den Atem ein, nahm meinen Willen zusammen und versuchte, mit ihm zu verschmelzen. Ich verschränkte die Finger in seinem Nacken und zog ihn noch näher heran.
Ganz langsam, beinahe unbemerkt, wandelte sich sein Kuss von einer zarten Frage zu hitziger Tiefe. Sein gezügeltes Begehren wurde immer
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