Topchter der Köingin Tess 1
einen Lumpen über einen Tisch, als würde sie ihn abwischen. »Bringt die Schiffe her, wo sie sonst schon keinen Grund zum Anlegen haben. Ihr kommt aus der Hauptstadt?«
Ich dachte an das bittere Bier in den Fässern der Strandläufer und nickte. »Wir sind eben von Bord der Strandläufer gegangen.«
»Ihr und Euer Mann, was?«, unterbrach sie mich und wies mit einem Nicken zum Kamin.
»Äh … ja«, stammelte ich. »Da fällt mir ein, ich hatte mich gefragt –«
»Tymus nimmt Passagiere an Bord?«, platzte sie heraus. »Sieht ihm gar nicht ähnlich.«
Tymus?, dachte ich. Es gefiel mir nicht, dass Kapitän Borlett und diese Frau sich offenbar sehr gut kannten. »Es hat uns ein hübsches Sümmchen gekostet, ihn dazu zu überreden«, sagte ich. »Ich versuche, mich hier in der Gegend mit jemandem zu treffen. Ein älterer Mann, gut gekleidet? Er war hierher unterwegs.«
Die Frau wischte sich die Hände am Rock ab und ließ den Blick über ihre Gäste schweifen. »Ich habe den Ruf gar nicht gehört, dass ein Schiff reingekommen ist. Wo ist denn Tymus’ Mannschaft? Hat er eine große Fracht? Ist Stoff dabei?«
»Nein«, antwortete ich und ärgerte mich, als mir klar wurde, dass ich völlig die Kontrolle über diese Unterhaltung verloren hatte. »Keine Fracht. Er hat gar nicht angelegt und ist schon wieder weg. Er hat nur kurz gehalten, um uns von Bord zu lassen.«
»Oh.« Die Frau war sichtlich enttäuscht. Sie blickte zu Duncan hinüber. »Er hat Euch schwimmen lassen?«
»Nur … meinen Mann.« Ihre Augenbrauen hoben sich, und ich preschte vor. »Ich hatte gehofft, dass Ihr mir vielleicht helfen könntet, meinen Vater zu finden. Möglicherweise ist auch meine Schwester bei ihm?« Die Lügen kamen mir erschreckend leicht über die Lippen.
»Ihr wisst nicht, ob Eure Schwester bei ihm ist oder nicht?« Sie sah mich an, als wäre ich dumm. Errötend warf ich einen Blick zu Duncan hinüber, der sich unterhielt und angeregt gestikulierte. Es gefiel mir nicht, dass dieses Flittchen ihn an der Schulter berührte. Dem Mann, auf dessen Schoß sie gerade saß, passte das offenbar auch nicht.
»Äh«, sagte ich, als mir wieder einfiel, dass die Wirtin mich etwas gefragt hatte. »Er holt sie nach Hause, in die Hauptstadt. Er ist gewiss nicht per Schiff unterwegs, und ich weiß nicht, ob ich ihn womöglich schon überholt habe, so schnell bin ich ihm nachgeeilt.«
Sie nickte wissend. »Alter Mann mit grauem Bart? Gutaussehend, wenn ich das sagen darf? Ganz fein herausgeputzt?«
Erleichterung durchflutete mich. Garretts Meuchler hatte ihn noch nicht gefunden. »Ja, das müsste er sein.«
»Ja«, sagte die Frau und wischte mit einem Schürzenzipfel eine Schüssel aus. »Ihr habt sie knapp verpasst. Er ist vor zwei Tagen hier durchgekommen, von der Seenebel. Hat den Ellisons das Pferd abgekauft und ist aus dem Ort geritten, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.«
»Vor zwei Tagen!«, rief ich leise aus. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass er die Bucht überquert hatte.
»Ein Jammer, dass Ihr nicht früher angekommen seid«, fuhr die Frau fort. »Er ist heute Morgen aufgebrochen.«
Ich hob den Kopf und sah sie verwirrt an. »Aber Ihr sagtet doch …«
»Mit Eurer Schwester und ihrem Burschen«, fügte sie hinzu, und meine gerunzelte Stirn glättete sich. Kavenlow war auf dem Weg zurück in die Hauptstadt. Dann zögerte ich erneut. Ihrem Burschen?
»Sie haben hier übernachtet«, erzählte die schwatzhafte Wirtin weiter. »Meine beiden besten Zimmer haben sie genommen. Sie ist ein wunderhübsches Ding, nicht? Das Haar so lang, dass sie drauf sitzen könnte, und so hell wie die Sonne auf dem Wasser.«
Ich verzog das Gesicht und berührte mein mattes, braunes Haar. »Ja. Das ist … sie.«
»Ich verstehe schon, warum Euer Vater solch einen Narren an ihr gefressen hat«, sagte sie. »Hat sie keinen Augenblick allein gelassen. Niemand durfte ihr zu nahe kommen. Hat sie von vorne bis hinten bedient. Ich habe das zarte Kind ja kaum gesehen. Wirkt ein bisschen krank, das dünne Dingelchen. So traurig, ganz melancholisch. War sie der Gesundheit wegen in den Bergen?«
»Es geht ihr gut«, entgegnete ich und bemühte mich, meinen Zorn zu verbergen. Kavenlow bediente sie? Er war kein Diener. Mein grundsätzlicher Widerwille der Prinzessin gegenüber wurde zu echter Abneigung.
»Das war vielleicht ein Anblick. Die beiden sind um sie herumgesprungen, als wäre sie eine Königin«, erzählte die
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